Der Sonntagskrimi im Ersten Silberhochzeit mit dem „Tatort“

Bonn · Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec sind seit 25 Jahren im Dienst. Zum Jubiläum folgen die Kommissare Franz Leitmayr und Ivo Batic einer blutigen Spur.

 Zu mehr als einem kleinen Jubiläumsumtrunk mit „Kalli“ (Ferdinand Hofer, links) reicht es für Ivo Batic (Miroslav Nemec, Mitte) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) nicht.

Zu mehr als einem kleinen Jubiläumsumtrunk mit „Kalli“ (Ferdinand Hofer, links) reicht es für Ivo Batic (Miroslav Nemec, Mitte) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) nicht.

Foto: Roxy Film GmbH/Regina Recht

Eigentlich ein ganz einfacher Fall: Eine rumänische Prostituierte ist tot, ein Cousin schnell als geständiger Mörder ausgemacht, das Urteil vor Gericht gesprochen. Oder, wie Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) es nach der Verhandlung für den Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) kurz zusammenfasst: „Milieu, Ivo, schon mal gehört: Er blau, braucht Geld, sie plärrt, Ende.“ Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Sonst wäre der „Tatort“ aus München am Sonntag sehr schnell beendet, was aus besonderem Anlass gar nicht passte. Die Herren Wachtveitl und Nemec feiern Silberhochzeit mit dem „Tatort“: 25 Jahre den Verbrechern auf der Spur.

„Mia san jetz da, wo's weh tut“, gibt der Titel der Jubiläumsfolge eine bajuwarische Verortung. Das könnte eine selbstironische Betrachtung der eben nicht mehr ganz jungen und in Ehren ergrauten Ermittler sein, ist aber wohl auch eine Erkenntnis, die Leitmayr und Batic im aktuellen Fall zunehmend dämmert. Denn erst einmal registriert Batic selbstkritisch, dass er sich aus den jüngsten Ermittlungen vielleicht ein bisschen zu sehr herausgehalten hatte, weil es eine Verbindung zwischen der ermordeten 19-jährigen Rumänin Aurelia und Harry Schneider (Robert Palfrader) gibt. Der ist ein Münchner Bordellbetreiber, der die Szene – durchaus zum Gefallen der Polizei – unter seine Kontrolle brachte und damit dort Ruhe einkehren ließ. Und Batic ist mit Schneider, nun ja, zumindest vertraut. Jetzt aber riecht er Lunte und greift den Fall wieder auf.

Diese Entscheidung hat schwerwiegende Folgen. Denn bald ist offenkundig, dass die ermordete Rumänin nicht allein unterwegs war. Eine zweite junge Rumänin, Mia Petrescu, ist in den Fall verwickelt. Der jagen aber nicht nur die beiden Kommissare hinterher. Fortan pflastern Leichen die Spurensuche, führt Regisseur Max Färberböck die Ermittler durch einen blutigen Albtraum. Da heißt es aufmerksam bleiben; denn die wilde Fahrt wechselt wiederholt die Perspektiven, wenn sie die Polizei, Mia und ihren Begleiter oder die dunkelsten Gestalten des Münchner Nachtlebens in den Fokus nimmt.

Nicht mit jedem folgenden Todesopfer wird der Zuschauer mitleiden. Die Tragödie, die sich da entspinnt, schlägt ihn aber in den Bann. Auch wenn es nicht der allerstärkste Fall des sonst gerne frotzelnden Duos ist, den Färberböck und Co-Autorin Catharina Schuchmann zum Jubiläum im Drehbuch fixiert haben. Jedoch sind hinreichend Emotionen im Spiel, um Ivo Batic einmal in glühender Sorge und Wut sein (weibliches) Gegenüber fast tonlos anschreien zu lassen, er werde dem Verantwortlichen für einen befürchteten weiteren Todesfall das Herz herausreißen. Ein ganz starker Moment.

Starke Auftritte hatten Leitmayr und Batic eine ganze Menge unter ihren bislang 72 Fällen. Und sie gingen dabei öfter dahin, wo's weh tut. Ob nun in dem mit dem Grimme-Preis gekrönten Fall „Nie wieder frei“, als ein Vergewaltiger wieder freikam, in der kunstvoll in Farbe und Schwarz-Weiß verwebten Tragödie „Der oide Depp“, in Batics Amnesie-Solo „Wir sind die Guten“ oder in „Am Ende des Flurs“, als das Publikum um das Leben des am Schluss niedergestochen am Boden liegenden Leitmayr bangen musste: Das Duo lieferte oft glänzende, meist solide und nur selten matte Arbeit ab.

Für die Statistikfreunde hat der verantwortliche Bayerische Rundfunk mal nachgezählt: 152 Menschen schieden für den Münchner „Tatort“ vor der Kamera aus dem Leben, wurden erschossen, erschlagen oder erstochen – so die Top drei der Meuchelliste. Aber auch eine Katzenallergie, ein aggressiver Hund oder Folter beförderten Opfer in den frühen Tod. Zweimal übrigens erschoss Leitmayr Angreifer, während es für Batic nie zum Äußersten kam.

Auf der sonnigeren Seite des Daseins durften die Kommissare jeweils acht Liebesgeschichten erleben, was teils allerdings auch „durchleiden“ hieß. Als Dritter im Bunde hielt sich Michael Fitz als Carlo Menzinger von 1992 bis 2007 am längsten, bevor er als reicher Erbe ausstieg. Fabian Hinrichs verschaffte sein starker Auftritt nebst gewaltsamem Ende als Gehilfe Gisbert 2012 in „Der tiefe Schlaf“ viel Sympathie und wohl nicht zuletzt auch eine Rolle als „Tatort“-Ermittler in Franken.

Derzeit etabliert sich der 2014 eingestiegene Ferdinand Hofer in der Rolle des Karl-Heinz „Kalli“ Hammermann als Zuspieler. Er hat gute Chancen, sich weiter Profil zu verschaffen: Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec, Jahrgang 1958 und 1954, wirken nicht amtsmüde. Da wird es wohl bis zum 30. Jahrestag reichen. Und dann vielleicht zu mehr als einem schnellen Heißgetränk aufs Jubiläum.

Tatort: Mia san jetz da, wo's weh tut; ARD, Sonntag, 20.15 Uhr. Mehr zum Thema Tatort: ga.de/tatort

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