Hochstaplerei in den USA So erschlich sich Anna Sorokin ein besseres Leben

Moskau · Der Fall Anna Sorokin könnte auch einem Hollywood-Drehbuch entstammen. Die festgenommene Hochstaplerin hat die New Yorker Oberschicht in Atem gehalten. Wie sich die Russin ein vermeintlich besseres Leben erschlichen hat.

 Von Russland über Deutschland in ein US-Gefängnis: Anna Sorokin – hier vor Gericht – wurde als Hochstaplerin verurteilt.

Von Russland über Deutschland in ein US-Gefängnis: Anna Sorokin – hier vor Gericht – wurde als Hochstaplerin verurteilt.

Foto: picture alliance/dpa

Sie sei immer verrückt nach Mode gewesen, habe mit 13 Jahren angefangen, Hochglanzjournale zu kaufen, zitiert die Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ eine russische Schulfreundin. „Sie wollte kein Model werden, sondern Publizistin. Und unser Lieblingsfilm war ,Mean Girls’. Ihr gefiel, dass die Heldinnen dort so negativ waren.“

Anna Sorokin alias Anna Delvey hat den fiesen Mädchen aus der Hollywood-Teenagerkömodie bis zuletzt nachgeeifert, sie sogar übertrumpft. In möglichst teuren Markenklamotten und möglichst perfekten Make-ups bemühte sie sich, die Leute zu beeindrucken und zu manipulieren. Am Ende ohne Erfolg. Zwar vermerkte das Modejournal „GQ“ anerkennend, ihre Anwälte hätten für den Prozess die Starstylistin Anastasia Walker angeheuert.

Anna Sorokin: Optisch eher Designerin als Ganovin

Und Anna hätte mit ihrer schwarzen Celine-Brille und ihrem Miu-Miu-Kleid eher wie eine Designerin ausgesehen als wie eine Ganovin. Die Richterin verurteilte die stilsichere Hochstaplerin trotzdem: Anna erhielt wegen Betrugs eine Gefängnisstrafe von vier bis zwölf Jahren – je nach Führung. Die russische Öffentlichkeit nimmt den Schuldspruch mit einer Mischung aus Mitgefühl und einem gewissen Stolz zur Kenntnis. „In jedem von uns steckt ein bisschen Anna Delvey“, titelte die „Komsomolskaja Prawda“.

Der Aufstieg vor Sorokins Fall war atemberaubend. Sie stammt aus Domodedowo, einer Trabantenstadt bei Moskau, ihr Vater war Lastwagenfahrer, die Mutter Hausfrau, in ihrer russischen Schule galt sie als sprachbegabte Musterschülerin, aber auch als notorische Intrigantin. Mit 16 siedelte sie mit ihren Eltern und dem jüngeren Bruder in das Städtchen Eschweiler über, ihre deutschen Mitschüler sollen sie „Barbie“ genannt haben, wegen ihrer Neigung zu Markentextilien. Ihr Vater handelt in Eschweiler mit Klimaanlagen. Er glaubt, die Mitarbeiter der Bank, bei der sich Anna zuletzt in den USA um einen 25-Millionen-Dollar-Kredit bemühte, seien selbst schuld.

„Sie haben ihr allerlei Angebote gemacht, haben versucht, sie ins Bett zu kriegen.“ Jedenfalls hat Anna Eindruck gemacht. Schwer zu sagen, wie viel Sex dabei im Spiel war. In den Diskotheken jeder russischen Gebietshauptstadt sitzen immer ein paar Kindfrauen an der Bar. Ihre Blicke sind zutraulich, sie lassen sich von Männern zum Drink einladen, schlagen für den nächsten Tag auch ein Treffen im Einkaufszentrum vor. Aber jede körperliche Annäherung weisen sie entschieden ab. „Dynamos“ nennen sie sich: Wir versprechen dir etwas, für das du im Voraus bezahlst, ohne dass du es hinterher kriegst.

Instagram und Co.: Erschlichenes Vertrauen

„Sorokin nutzte nicht nur die klassischen Grundlagen jeder Betrügerei, die Fähigkeit Menschen kennenzulernen und sich in ihr Vertrauen zu schleichen“, schreibt das Nachrichtenportal „newsru.com“, „sondern auch die Besonderheiten unserer modernen Gesellschaft, in der Instagram wichtiger ist als reale Dokumente.“ Im russischen Halbweltmilieu kein Einzelfall. Die Jung-Agentin Maria Butina, die in Washington versuchte, in Donalds Trumps enge Umgebung zu gelangen und im April zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde, hatte sich im Internet als Feuerwaffen-Lobbyistin mit Sexappeal präsentiert.

Russlands leichte Mädchen scheitern auch oft an ihrer virtuellen Eitelkeit. So postete Nastja Rybka, weißrussisches Escortgirl und Sexbloggerin, Videos, die sie auf einer Jacht gemeinsam mit dem Milliardär Oleg Deripaska und dem Regierungsbeamten Sergei Prichodko zeigen, und löste damit einen Korruptionskanal aus. Rybka forderte Deripaska auf, sie zu heiraten, um ihre Ehre zu retten. Stattdessen läuft jetzt ein Verfahren wegen Prostitution gegen sie.

Am Ende wiederholte auch Sorokin ihre Frechheiten zu oft. Einziger Trost: Netflix hat die Rechte an Anna Sorokins Geschichte gekauft. Bleibt abzuwarten, ob ihr Honorar ausreicht, um ihre Schulden und Bußgelder von 224.000 Dollar zu begleichen.

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