Attentäter erschossen Tote bei Messerangriff im Pariser Polizeipräsidium
Paris · Ein Mitarbeiter des Präsidiums greift Sicherheitskräfte mit einem Messer an und wird daraufhin von Beamten erschossen.
Wilde Gerüchte machen unter den Touristen die Runde. Gerade noch haben sie Fotos von Notre-Dame geschossen, nun fotografieren sie eifrig Polizisten, die mir rot-weißen Absperrbänder die Straße vor der Kathedrale abriegeln. Immer mehr Polizeiautos rasen mit Blaulicht herbei. Es habe einen Terroranschlag gegeben, heißt es in der aufgeregten Gruppe, keiner weiß etwas Genaues, aber Paris sei ja schon häufig Ziel von Attentätern gewesen. Dann ertönt eine Lautsprecher-Durchsage, es ist von einem „Angriff“ die Rede, die Gegend werde „überwacht“. Nach nur wenigen Minuten ist die Gegend um den Vorplatz von Notre-Dame weiträumig abgesperrt. Auch die Métro-Station Cité ist geschlossen. Nur langsam sickern gesicherte Informationen durch.
Relativ schnell wird allerdings klar: Bei einer Messerattacke in der Pariser Polizeipräfektur sind insgesamt fünf Menschen getötet worden - vier Polizisten und der Angreifer. Es war allerdings nach ersten Aussagen sehr wahrscheinlich kein Terroranschlag. Der Angreifer war offenbar ein langjähriger Verwaltungsmitarbeiter der Polizeipräfektur, die nur wenige Schritten von Notre-Dame entfernt liegt. Wahrscheinlicher Hintergrund der Tat sei ein interner Konflikt innerhalb der Polizeibehörde.
Im Lauf des Abends hieß es, dass der Angreifer vor 18 Monaten zum Islam konvertiert sei. Auch seine Ehefrau, die nach der Attacke ebenfalls von der Polizei befragt worden ist, sei Muslimin. Nach dieser Information meldete sich Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, über den Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort und forderte, dass alles zu dieser Information ans Licht gebracht werden müsse.
Nach Angaben eines Sprechers sei der Mann kurz gegen13 Uhr mit einem Keramikmesser auf seine Kollegen losgegangen. Er sei nach dem Angriff im Hof des riesigen Gebäudes erschossen worden. Die Polizei nahm zunächst keine Stellung zu den Berichten. Der Augenzeuge Émery Siamandi erzählte BFMTV, er habe Schüsse gehört. „Ich habe gedacht, dass sich ein Polizist umgebracht hat.“ Dann habe er bemerkt, dass auf den Angreifer geschossen wurde - der Polizist, der sich mit der Dienstwaffe gewehrt habe, habe geweint. Die Ermittler gehen nach eigenen Angaben Hinweisen nach, wonach es einen Konflikt zwischen dem Täter und Kollegen gegeben habe.
Ein Mitarbeiter der Behörde erzählte einem Reporter der Tageszeitung „Parisien“: Ich habe einen Mann mit einem Messer in der Hand gesehen. Er lief einem Polizisten hinterher. Der hat ihn aufgefordert stehzubleiben, aber der Mann ist nicht stehengeblieben, da hat er geschossen.“ Ein anderer Kollege bestätigt: „Der Polizist hat ihn drei Mal aufgefordert stehenzubleiben, aber der Angreifer hat nicht gehört. Der Polizist hat zwei Mal geschossen und ich habe den Mann fallen sehen.“
Frankreichs Innenminister Christophe Castaner war nach dem Angriff sofort zum Tatort geeilt. Er war es auch, der am späten Nachmittag erste Angaben zum Täter machen konnte. Der Mann sei ein 45 Jahre alter Angestellter in der Verwaltung gewesen und zuvor nie negativ aufgefallen, sagte der Politiker vor der Polizeistation in der französischen Hauptstadt. Der mutmaßliche Täter habe seit 2003 in der Polizeipräfektur gearbeitet. Bei den Opfern handle es sich um eine Frau und drei Männer, erklärte der Pariser Chefermittler Rémy Heitz, der Castaner begleitete. Der Wohnsitz des mutmaßlichen Täters werde durchsucht, so Heitz. Die Ermittlungen blieben zunächst bei der Staatsanwaltschaft von Paris. Er stehe aber im ständigen Kontakt mit der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft. Weitere Untersuchungen sollten Licht in das Motiv der Tat bringen.
Erst am Mittwoch hatten Tausende Polizisten in Paris für bessere Arbeitsbedingungen protestiert. Mehrere Gewerkschaften hatten zu dem „Marsch der Wut“ im Osten der Hauptstadt aufgerufen. Nach Angaben der Organisatoren, der Polizeigewerkschaft Unité SGP Police, waren in Paris rund 27 000 Polizisten auf die Straßen gegangen. Die Beamten beklagen, dass die Arbeitsbedingungen in den vergangenen Jahren immer schlechter geworden seien. Doch nicht nur das belaste die Polizisten, auch dass sie etwa auf Demonstranten immer häufiger beschimpft und angegriffen werden, nage an den Nerven. Nach inoffiziellen Schätzungen gab es bei der Polizei seit Jahresbeginn mehrere Dutzend Suizide, die vor allem von den Gewerkschaften auf die steigende Belastung im Alltag zurückgeführt werden.