Anwohner und Gastronomen beschweren sich Ungewohnter Möwenbesuch in Paris macht Probleme

Paris · In Frankreichs Hauptstadt lebt eine Kolonie von Möwen. Das gefällt nicht allen Anwohnern und stellt die Polizei vor unerwartete Probleme.

Paris liegt definitiv nicht am Meer. Dennoch werden viele Bewohner jeden Morgen von schrillem Möwengeschrei aus dem Schlaf gerissen. Vor allem im Stadtteil Belleville im Nordosten der französischen Hauptstadt scheinen sich die Tiere äußerst wohl zu fühlen. „Es ist die Hölle“, klagt der Besitzer eines kleinen Cafés. „Was tun diese Vögel hier? Sie machen Lärm und kacken mir die Tische voll.“ Eine Frau widerspricht. „Wenn ich die Möwen höre, komme ich mir vor wie im Urlaub“, sagt sie.

„Von einer Invasion der Möwen kann keine Rede sein“, erklärt Fréderic Malher vom Zentrum für Ornithologie in Paris. In der Hauptstadt leben etwa 50 Paare. Seit rund 30 Jahren gebe es diese Kolonie und zur Überraschung der Fachleute bleibt die Zahl der Vögel ziemlich konstant. Die Situation sei also nicht mit der Lage in manchen Küstenstädten wie Le Havre oder Trouville zu vergleichen, wo die Möwen tatsächlich längst zu einer Plage geworden sind. In südfranzösischen Marseille sind die Behörden inzwischen sogar dazu übergegangen, Möwen zu töten, da die Tiere immer aggressiver wurden und in den Augen der Verantwortlichen wegen mancher Krankheiten auch ein gesundheitliches Problem für die Menschen darstellen können. Von solchen Zuständen ist man in Paris freilich weit entfernt. Zwar ziehe auch in der französischen Hauptstadt jedes Paar regelmäßig zwei bis drei Junge groß, beobachten die Ornithologen, doch der Nachwuchs verlasse in den allermeisten Fällen die Metropole und fliege wahrscheinlich in Richtung Norden an die Küste.

Zum akustischen Ärgernis für die Anwohner werden die großen Seemöwen in Paris vor allem während der Brutzeit im Frühjahr und Sommer. In dieser Zeit sind die Tiere untereinander besonders kommunikativ und fliegen laut schreiend umher. Im Zeitraum dazwischen sind die Vögel eher stumm. Immer wieder zu beobachten sind die Möwen während des Tages im Park von Buttes-Chaumont im Nordosten von Paris oder auch im Bois de Boulogne, wo es große Wasserflächen gibt.

Die Möwen scheinen sich in Paris ziemlich wohl zu fühlen, zumal die Allesfresser während der Sommermonate in den Abfalleimern im Zentrum genügend Nahrung finden. Im Winter fliegen sie auch häufig zu den Mülldeponien am Rand der Metropole, wo sie einen reich gedeckten Tisch vorfinden. Ein weiterer urbaner Wohlfühlfaktor für die Möwen: anders als in der freien Wildbahn auf dem Land habe die Tiere hoch über den Dächern von Paris kaum Feinde – außer den umherstreunenden Katzen, die allerdings keine echte Gefahr für die großen Vögel darstellen.

Forscher vermuten auch, dass die Vögel in die Städte drängen, weil sich ihr natürlicher Lebensraum am Meer in den vergangenen Jahren dramatisch verändert hat. Immer mehr freie Fläche werde versiegelt oder durch Landwirtschaft kultiviert, auch die zunehmenden Freizeitaktivitäten der Menschen am Wasser habe einen störenden Einfluss auf das Ökosystem und damit das Leben der Möwen.

Laut einem Bericht von „Le Parisien“ haben nicht nur manche Anwohner, sondern auch die Pariser Polizei ein Problem mit den Möwen. Die Tageszeitung schreibt, dass immer wieder Überwachungsdrohnen der Sicherheitskräfte von den Tieren angegriffen würden. Die Fluggeräte werden bei den inzwischen fast wöchentlich stattfindenden Demonstrationen in der Hauptstadt eingesetzt. Vor allem während der Brutzeit würden die Möwen die Drohnen attackieren, um ihr Nest vor dem vermeintlichen Feind zu beschützen. Allerdings will die Polizei die Lufthoheit nicht kampflos den Möwen überlassen. Offensichtlich testet sie nun Drohnen, die über kleine Lautsprecher Schreie von Raubvögeln ausstoßen. Ob die ziemlich cleveren Möwen auf diese plumpe Finte reinfallen, ist eher ungewiss.

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