Coronavirus War's das mit dem Italienurlaub?

Mailand · Das Coronavirus verbreitet sich auch in Italien weiter im gesamten Land. Die Tourismusbranche von Mailand bis Palermo ringt mit den Auswirkungen der Epidemie.

 Rettungssanitäter arbeiten in einem Zelt vor einem Krankenhaus in Brescia. In Italien sind die Zahlen der Coronavirus-Toten und der Infizierten erneut stark gestiegen.

Rettungssanitäter arbeiten in einem Zelt vor einem Krankenhaus in Brescia. In Italien sind die Zahlen der Coronavirus-Toten und der Infizierten erneut stark gestiegen.

Foto: dpa/-

Matteo Villani ist ein Spezialist für Schönheit. Die Schönheit der Ewigen Stadt. Montags bis Freitags führt er wohlhabende Touristen auf exklusiven Touren durch das Kolosseum, das Forum und den Vatikan, häufig auch am Wochenende. Seit einer Woche arbeitet der 48-jährige Römer wieder als Architekt, in seinem eigentlichen Hauptberuf, den er vor Jahren für den lukrativeren Dienst an den Touristen aufgab. Die Angst geht um. Das Urlaubsland Italien gilt als Infektionsgebiet Nummer eins in Europa. Am Mittwoch wollte Ministerpräsident Giuseppe Conte Medienberichten zu Folge sogar die Schließung aller Schulen in Italien bis Mitte März bekannt geben. Touristen sagen längst geplante Rom- und Italienreisen ab. Das Coronavirus bringt eine ganze Branche zum Erliegen.

Vor zwei Tagen ging Villani zu seinem Arbeitgeber, einem Tour-Operator. „Es gibt nichts, gar nichts“, sagte man ihm. Sämtliche Reservierungen für März wurden abgesagt. Bis in den September hinein reichen die Stornierungen. Hotels in Rom vermelden einen Rückgang der Buchungen um bis zu 90 Prozent. „Ich hatte Panik“, erzählt Villani bei einem Treffen im Zentrum. Die Angst vor Covid-19 macht nicht nur Italien-Liebhaber vorsichtig, sie bringt auch Existenzen in Schwierigkeiten. Nach Schätzungen kalkuliert die Tourismusbranche alleine in Rom bis Juni Verluste in Höhe von bis zu 800 Millionen Euro.

Coronavirus soll sich von der Lombardei aus ausgebreitet haben

Das ist die italienische Perspektive in Zeiten des Coronavirus. Als Wahl-Italiener bekommt man Seit Tagen Anfragen von außerhalb: Soll der bereits Italien-Urlaub abgesagt werden oder nicht, auch wenn er nicht in die hauptsächlich betroffenen Regionen Lombardei, das Veneto oder die Emilia-Romagna führt? In der Lombardei wurden zehn Gemeinden unter Quarantäne gesetzt, das Virus soll sich von hier ausgebreitet haben. Touristen sorgen sich, im Italienurlaub ebenfalls Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

In einem Kommentar des Zimmerbuchungsportals AirB&B schreibt Vermieterin Francesca aus Neapel diesbezüglich: „Die Touristen wollen von mir wissen, was sie tun sollen. Als ob ich eine Glaskugel hätte! Es ist absurd, wirklich absurd.“2502 Corona-Fälle meldete der italienische Zivilschutz bislang für ganz Italien, 79 Todesfälle gibt es, aber auch 160 Fälle von der Infektion genesener Patienten. Italiens Tourismussektor trägt gut fünf Prozent zum italienischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Die Regierung plant ein Hilfspaket mit vier Milliarden Euro, das aber nur zum Teil der Branche zufließen soll.

Umgang mit dem Coronavirus ist eine Gratwanderung

Anruf im Vier-Sterne-Hotel Regina in Mailand. Es liegt im Viertel San Vittore und ist auf Messe-Besucher spezialisiert. Managerin Michela Barberi zeichnet ein verheerendes Bild. „Wir haben 99 Prozent der Reservierungen verloren“, sagt sie. „Wie alle Hotels in Mailand.“ Seit über einer Woche sei die Lage „dramatisch“. Von den 43 Zimmern sei gerade mal eines besetzt. Was also tun? „Wir warten auf staatliche Hilfe“, sagt Barberi. Die meisten Mitarbeiter hat sie nachhause geschickt. „Die Lage ist ernst“, sagte Regierungschef Conte am Dienstag - und trug mit diesen Worten nicht zur Entspannung bei.

Der Umgang mit dem Coronavirus ist eine Gratwanderung, die sich in Italien auch im Zickzack-Kurs der Informationspolitik ablesen lässt und anderen Ländern eine Warnung sein könnte. Nach anfänglicher Panik machte sich die Erkenntnis breit, dass drastische Maßnahmen und Schreckensmeldungen teilweise verheerender als das Virus selbst sein können. Jetzt scheint die Lage wieder komplexer. Fluggesellschaften strichen zahlreiche Italienflüge . In der Lombardei und Venetien, aber auch im Piemont, wo nur 56 Corona-Fälle registriert sind, ist die Ski-Saison gelaufen. Auch hier stornierten bis zu 90 Prozent der Feriengäste ihre Reservierungen, viele aus Angst davor, nicht mehr nachhause zu kommen.

In Süditalien, wo sich das Virus weniger auszubreiten scheint, herrscht das große Abwarten. Normalerweise gehen in dieser Jahreszeit die ersten Buchungen für den Sommer ein. Bislang passiert nichts. Auch ganz im Norden wird abgewartet: Maria Burgmann, die mit ihrem Mann den Geigerhof, einen abgelegenen Berghof bei Innichen in Südtirol führt, der besonders bei Urlaubern aus Deutschland beliebt ist, berichtet am Telefon: „Über Fasching war bei uns 14 Tage lang alles voll. Im März ist bei uns immer weniger los, ab Mai buchen die Gäste dann für den Sommer.“ Ob sie sich Sorgen macht? „Schaumermal“, sagt Burgmann.

Matteo Villani hustet erst und schüttelt dann den Kopf. Als er vor Tagen zur Bank wollte, hatte sich vor der Filiale eine Schlange von 20 Leuten gebildet, die nicht gemeinsam im Inneren anstehen wollten. Er hält diese Vorsicht für Panikmache, ausgelöst von der Regierung und multipliziert von den Medien. „Aus meiner Sicht ist es verantwortungslos, ganze Städte abzuriegeln und Massenquarantäne anzuordnen“, sagt er. Italien habe den Nachbarländern vorgemacht, wie man in so einer Krise am Besten nicht vorgehe.

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