Sonnengruß und Co. Wie gut ist Yoga für Körper und Seele?

Bonn · Yoga boomt – allein in Deutschland praktizieren Millionen Menschen solche Übungen. Zahllose Studien belegen positive Auswirkungen auf Körper und Psyche. Aber es gibt einige Einschränkungen.

Achtsam in den Tag starten:  Je nach Statistik machen bis zu 300 Millionen Menschen weltweit Yoga.

Achtsam in den Tag starten: Je nach Statistik machen bis zu 300 Millionen Menschen weltweit Yoga.

Foto: kite_rin/Adobe Stock

Ein täglicher Sonnengruß, 30 Tage zur Perfektion der Krähen-Pose oder ein Monat bis zum perfekten Kopfstand: Immer wieder werden soziale Netzwerke wie Youtube, Instagram und Co. mit sogenannten Yoga-Challenges geflutet. Deren Teilnehmende versprechen sich von der Aufnahme einer regelmäßigen Yoga-Praxis Hilfe beim Abnehmen, im Umgang mit Alltagsstress oder gar eine therapeutische Wirkung gegen unterschiedliche Krankheiten – Hoffnungen, die durch zahlreiche Studien genährt werden.

Yoga liegt im Trend: Je nach Statistik sollen weltweit zwischen 250 und 300 Millionen Menschen der aus Indien stammenden Praxis nachgehen, die auch hierzulande immer mehr Anhänger findet. Rollten laut einer repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Jahr 2014 noch drei Prozent der Deutschen regelmäßig ihre Matte aus, waren es 2022 fünf Prozent oder knapp dreieinhalb Millionen Menschen. So aktuelle Zahlen, die von der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse in Deutschland erhoben wurden.

Zwei Drittel der Befragten gaben demnach an, mit Yoga ihr körperliches Befinden verbessern zu wollen. Fast ebenso viele nannten die Verbesserung ihres geistigen Befindens als Ziel. Tatsächlich deuten Studien seit Jahrzehnten auf eine Vielzahl positiver gesundheitlicher Effekte hin.

Vor allem in westlichen Ländern wurde Yoga lange Zeit in erster Linie mit den Yoga-Haltungen, den sogenannten Asanas, in Verbindungen gebracht: etwa mit dem herabschauenden Hund, der Kobra oder dem Krieger. Je nach Yoga-Art ist der Bewegungsaspekt stärker oder schwächer ausgeprägt. Im Folgenden die gesundheitlichen Vorteile:

Rücken

Als körperlich fordernder gelten beispielsweise Ashtanga Yoga oder das in einem etwa 40 Grad Celsius heißen Raum praktizierte Bikram Yoga, während beim Yin Yoga ausgleichende Elemente im Vordergrund stehen. Gerade körperlich anstrengendere Yoga-Formen könnten bei chronischen Rückenschmerzen ähnlich lindernde Wirkung entfalten wie konventionelle Bewegungstherapien, schrieb ein internationales Forschungsteam 2022 nach einer Meta-Analyse in der «Cochrane Database of Systematic Reviews». Die Beleglage der Studien sei jedoch eher von niedriger Qualität.

Gewicht

In einer deutschen Studie reduzierten fettleibige Teilnehmerinnen, die über zwölf Wochen regelmäßig traditionelles Hatha-Yoga praktizierten, Gewicht und Bauchumfang. „Keine Teilnehmerin begann während des Studienzeitraums mit einer kalorienreduzierten Diät“, betonen die Autoren im «Deutschen Ärzteblatt International». Das überrascht, da Yoga je nach Praxis zwar durchaus zum Schwitzen bringt, aber eher nicht in einer Intensität ausgeübt wird, die massiv Kalorien verbrennt. Trotzdem trat der gewichtsreduzierende Effekt auch in einer weiteren Studie mit 60 übergewichtigen Frauen auf, über die US-Wissenschaftlerinnen 2022 im Fachblatt «PLOS One» berichteten.

Herz-Kreislauf-System

Andere Studien ergaben verbesserte Blutwerte und ein gestärktes Immunsystem sowie positive Effekte auf Herz und Kreislauf. So bilanzierte eine schon 2014 im «European Journal of Preventive Cardiology» veröffentlichte Meta-Analyse, dass Yoga die gleiche Schutzwirkung vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben könnte wie regelmäßiger Ausdauersport.

Bestätigt wurde das Ergebnis jüngst durch eine Arbeit kanadischer Forscher: In der dreimonatigen Studie absolvierten 60 Probanden mit Bluthochdruck ein Trainingsprogramm. Eine Hälfte der Teilnehmer kombinierte Ausdauersport mit Stretchingübungen, die anderen mit Yoga. „Ziel dieser Pilotstudie war es, festzustellen, ob die Ergänzung eines regelmäßigen Bewegungstrainings durch Yoga das kardiovaskuläre Risiko verringert“, erläutert Hauptautor Paul Poirier von der kanadischen Laval-Universität in Québec in einer Mitteilung.

Demnach legten zwar mehrere Studien nahe, dass Yoga-Interventionen und körperliche Betätigung kardiovaskuläre Ergebnisse erzielten. Sie unterschieden sich aber beträchtlich hinsichtlich der Art, der Komponenten, der Häufigkeit, der Dauer und der Intensität der untersuchten Yoga-Sitzungen.

Poirier spricht damit ein grundsätzliches Problem der Yoga-Forschung an: Viele Studien lassen sich aufgrund der teilweise sehr unterschiedlichen Yoga-Praktiken nur schwer vergleichen, noch dazu sind die Probanden-Gruppen häufig sehr klein. „Wir wollten einen strengen wissenschaftlichen Ansatz anwenden, um die kardiovaskulären Risikofaktoren zu ermitteln, bei denen Yoga für Risikopatienten von Vorteil ist, und um herauszufinden, wie es etwa in einem Präventionsprogramm eingesetzt werden könnte“, betont der Mediziner.

Tatsächlich verbesserte sich der gesundheitliche Zustand beider Gruppen innerhalb des Untersuchungszeitraums von drei Monaten: Bei den Yoga-Praktizierenden sanken der obere, systolische Blutdruck und die Ruheherzfrequenz allerdings deutlicher ab. Worauf die positiven Effekte genau basieren, wissen die Wissenschaftler nicht – diese Einschränkung kennzeichnet auch andere Studien.

Klar scheint indes, dass der Bewegungsaspekt von Yoga alleine nicht ausreicht, um alle positiven gesundheitlichen Effekte zu erklären. Stattdessen könnten auch die in vielen Yoga-Formen üblichen Atemübungen sowie Meditationen von Bedeutung sein. Hinzu kämen in der ursprünglichen Form philosophische, spirituelle und lebensethische Elemente. Insbesondere Atemtechniken könnten bestimmte Neurotransmitter im Gehirn stimulieren und sich so auf das Stresslevel des Körpers auswirken. Zudem wurden Effekte auf Gedächtnis und Emotionen nachgewiesen.

Folgen von Meditation

Noch breiter erforscht wurden gesundheitliche Vorteile von Meditationsübungen – unabhängig von Yoga-Praktiken. So enthält die biomedizinische Publikations-Datenbank Pubmed fast 10.000 Verweise zu Artikeln, die etwa darstellen, wie sich regelmäßige Meditation auf das zentrale Nervensystem, das Gedächtnis, die psychische Gesundheit und das Immunsystem auswirken.

Erst kürzlich berichteten US-Wissenschaftlerinnen im Fachblatt «JAMA Psychiatry», dass das Meditationsprogramm „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ bei bestimmten Angsterkrankungen ebenso erfolgreich sein kann wie das Antidepressivum Escitalopram, ein Selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Das gleiche Programm wurde bei früheren Untersuchungen bereits mit einer besseren Schmerzregulation sowie mit Linderung von Migräne in Verbindung gebracht.

Speziell die Yoga-typische Kombination aus Bewegung, Atemübungen und/oder Meditation scheint sich auf bestimmte Krankheitsbilder wie chronische Schmerzen, leichte und moderate Depressionen oder Angstzustände positiv auszuwirken, zumindest als ergänzende therapeutische Maßnahme. Aber auch der gesundheitliche Nutzen insgesamt sei vermutlich auf eine Verbindung dieser Faktoren zurückzuführen, wie eine zusammenfassende Studie unter Leitung der Technischen Universität Chemnitz vor zwei Jahren ergab. Darin wurden 19 Meta-Analysen untersucht.

„Unsere über die untersuchten Studien überwiegend konsistenten Ergebnisse zeigen, dass die Kombination verschiedener Elemente beim Yoga besser ist. In fast allen Fällen waren kombinierte Interventionen einfacheren Interventionen überlegen“, erklärt die Chemnitzer Hauptautorin Karin Matko. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um Bluthochdruck, Diabetes oder Depressionen handele: Besonders effektiv sei die Kombination von Körperübungen mit Atemtechniken oder Meditation. Allerdings gebe es Ausnahmen: „Bei Asthma wirkt Yoga zum Beispiel nur, wenn es Atemübungen enthält“, so Matko, die selbst ausgebildete Yogalehrerin ist.

Welche Yoga-Form besonders vorteilhaft ist und wie lange und oft geübt werden sollte, um gesundheitlich zu profitieren, lässt sich indes nicht wissenschaftlich fundiert beantworten: Während manche Studien unterschiedliche körperliche oder psychische Effekte schon nach einer einzigen Yoga- oder Meditationseinheit beobachten, sehen andere erst nach langjährigem, fortlaufendem Training eine dauerhafte Wirkung.

Eine grundsätzlich positive gesundheitliche Wirkung scheint außer Frage zu stehen – mit zwei Einschränkungen: Zum einen sollten Menschen mit Grünem Star (Glaukom) Posen meiden, bei denen der Kopf nach unten gerichtet ist, da sie den Augeninnendruck erhöhen. Zum anderen zeigte eine 2019 im Fachblatt «BMC Complementary Medicine and Therapies» veröffentlichte Studie ein erhöhtes Verletzungsrisiko bei denjenigen, die komplett ohne Einführung durch einen Yoga-Lehrenden starteten: Yoga nur auf Basis von Youtube-Videos zu lernen, scheint also nicht unbedingt ratsam.

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