Kommentar zum Ernährungsreport 2017 Zwei-Klassen-Küche

Meinung | Bonn · Weniger Lust zu kochen, mehr Hunger auf Fertiggerichte - das ist das Ergebnis des Ernährungsreports 2017. Insgesamt geht der Trend zur Zwei-Klassen-Küche, findet GA-Redakteurin Sylvia Binner.

Alarmierend, wie groß die Widersprüche sind, die sich in Sachen Ernährung auftun. Einerseits sind Themen rund ums Essen echte Gassenhauer. Die Fangemeinde beschert Artikeln über jedes neu eröffnete vegane Restaurant astronomische Klickzahlen. Selbsternannte Gurus predigen wahlweise fleischlastige Ernährung wie in der Steinzeit oder den Verzicht auf alle tierischen Produkte – und zwar nicht nur auf dem Teller –, wie ihn bis dato allenfalls die Anhänger des indischen Jainismus praktizieren.

Übrigens eine Religion – und genauso betrachten es manche Jünger heutzutage. Ernährung hat für sie inzwischen den Stellenwert einer Ersatzreligion, ausgeübt im Bioladen oder im Sternelokal. Was sich leichter mit Toleranz betrachten ließe, wenn nicht, wie so oft in Glaubensfragen, der missionarische Eifer der Geläuterten in die Quere kommt.

Womit übrigens keineswegs der berechtigte Wunsch gemeint ist, Fleisch von glücklicheren Tieren auf den Tisch zu bringen. Auch wenn da eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen dem eingeübten Verhalten an der Tiefkühltheke und den Lippenbekenntnissen klafft, mehr Geld für vernünftig erzeugtes Fleisch ausgeben zu wollen. Vielleicht doch eine Frage des Geldes?

Womit wir beim schlimmsten Teil der ernährungstechnischen Zwei-Klassen-Gesellschaft landen. Er spielt sich da ab, wo Familien nicht mehr kochen, weil sie es nicht können. Weil ihnen keiner beigebracht hat, welches Gemüse zu welcher Jahreszeit günstig ist. Geschweige denn, wie es sich zubereiten lässt. Zwei-Klassen-Küche, ein echtes Trauerspiel.

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