Kommentar 2. UN-Erdgipfel in Rio - Planeten-Sprechstunde

In Mexiko fürchten die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) ein schwächeres Wirtschaftswachstum, während auf dem heute in Rio beginnenden UN-Erdgipfel gerade dieses "Business-as-usual-Konzept" in Teilen abgeschafft werden soll. Eine Art Planeten-Sprechstunde in einer paradox tickenden Welt: Die erste 1992 sollte den Aufbruch zu einem neuen Bewusstsein im Umgang mit der endlichen Erde markieren.

Auch wurde, freilich unverbindlich, vereinbart, dass "gefährlicher Klimawandel" vermieden werden soll. Was das genau heißt, war damals nicht klar - wie so vieles nicht. Heute wissen wir, dass nur noch "gefährlichster Klimawandel" zu vermeiden ist und auch nur dann, wenn die Welt sich sofort selbst auf die fossile Entzugsstation einweist. Damit ist nicht zu rechnen.

Inzwischen haben die Fronten sich verhärtet. Deren Linien verlaufen zwischen Staaten, Wissenschaftlern und Zivilgesellschaften. Es scheint, als sei die Frage, wie viel Wachstum die Erde dauerhaft verträgt, eine der Weltanschauung, der richtigen Theorie oder schlicht von Optimismus und Pessimismus. Physisches Wachstum in einer Endlich-Welt ist alles andere als zukunftsfähig.

Diese Aussage verkörpert - erst recht in einer Welt mit bald neun Milliarden Menschen - einen solch logischen Fakt, dass es verblüfft, wie unendlich zuversichtlich manch gelehrter Zeitgenosse glaubt, die Zukunft sei eine Wiederholung der Vergangenheit: Wenn der Markt doch nicht alles regelt und der Klimawandel doch brisanter ausfällt als gedacht, wird der menschliche Erfindungsgeist Innovationen hervorbringen, die aus der Sackgasse führen.

Das sei, heißt es, "übrigens" immer so gewesen. Schade, dass wir bis heute keine alltagstaugliche Energiespeicherung für Wind und Sonne entdeckt haben oder die Kernfusion immer noch nicht unsere Energiefrage löst, obwohl in den letzten Jahrzehnten weltweit Milliarden dafür investiert worden sind. Es fehlt offenbar nicht an Geld, sondern an Ideen.

Nach wie vor gehört gemessenes Wirtschaftswachstum überall zu den frohen Botschaften. Das kann auch so bleiben, sofern das Wachstum mit viel weniger Rohstoff- und Energieeinsatz und damit weniger Abfall-Output erwirtschaftet wird. In Deutschland handeln wir - Stichwort Abwrackprämie - gelegentlich jedoch anders, als wir es auf der Weltbühne von anderen fordern.

Die SOS-Botschaften der Welt: Die Menschheit vermehrt sich, wenngleich verlangsamt, weiter, dazu ein überfischter und angesäuerter Ozean, eine zugemüllte Lufthülle, ein bedrohter Weltacker und ein weiter ungestillter Durst nach Öl. Die Antwort muss mehr sein als das Hoffen auf eine geniale Idee, die nur Geld und keine sisyphushafte Anstrengung kostet. Die "Green Economy" von Rio benötigt, sofern sie mehr als ein Slogan sein soll, sicher beides.

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