Putins Antrittsbesuch in Berlin "Ab und zu" gibt es Meinungsunterschiede mit Merkel

BERLIN · Die Situation in Syrien prägt den Antrittsbesuch des russischen Präsidenten in Berlin maßgeblich.

 Herzliche Begrüßung: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Kanzleramt.

Herzliche Begrüßung: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Kanzleramt.

Foto: ap

Das Wörtchen kommt der Kanzlerin erkennbar schwer über die Lippen: Den "wiedergewählten" Präsidenten Wladimir Putin begrüßt sie am Freitagmittag mit leichter Verspätung im Kanzleramt. Ihre Formulierung ist formal richtig, denn der russische Präsident ist - nach einem fünfjährigen Ministerpräsidenten-Intermezzo - zum zweiten Mal "wiedergewählt" worden. Aber das ist nicht das Kernthema des Tages für die Kanzlerin.

Andere Randerscheinungen des Besuchs hatten vor allem bei der Reisevorbereitung für Aufregung gesorgt: Mit sechs Stunden ist der Zeitrahmen für den Aufenthalt im Berliner Regierungsviertel äußerst eng bemessen. Nach dem 90-minütigen Gespräch im Kanzleramt und knapp 25 Minuten gemeinsamer Pressekonferenz fuhr der Gast aus Moskau in das 500 Meter Luftlinie entfernte Schloss Bellevue, wo er von Bundespräsident Joachim Gauck - frisch von seiner Nahost-Reise zurückgekehrt - empfangen wurde.

Anschließend flog Putin mit seinem Regierungs-Jet weiter nach Paris, wo er sich wesentlich mehr Zeit ließ und übernachtete. Die Zeitplanung habe mit einem "Affront nicht das Mindeste zu tun", versichert ein deutscher Diplomat. Der Grund sei, dass sich Merkel und Putin seit Jahren auch persönlich gut kennen - ganz anders als der neue französische Politstar, Präsident François Hollande, zu dem sein russischer Kollege erst ein Vertrauensverhältnis aufbauen müsse, wofür man mehr Besuchszeit einkalkulieren musste.

Wie auch immer: Als Putin im Kanzleramt vorfährt, sind in der Ferne Pfiffe und Parolen gegen Putin zu hören. Etwa 30 Exil-Russen campieren vor der weit entfernten russischen Botschaft in Berlin. Merkel und Putin - sie beherrscht die russische Sprache so perfekt wie er Deutsch - begrüßen sich wie alte Freunde. Mit Wangenküsschen.

Frankreichs Präsident Hollande hatte bei seinem Antrittsbesuch vor zehn Tagen auf diese Geste der Nähe verzichtet und Merkel mit einem Handschlag begrüßt. Nicht alle Gäste dürfen allerdings von der Terrasse ihres Kanzleramtsbüros den Blick auf die Bundeshauptstadt genießen. Merkel und Putin posieren mit einem Gläschen Mineralwasser in der Hand für die Fotografen.

Bei der Pressebegegnung trauten die Korrespondenten zunächst ihren Ohren nicht. Das Thema Syrien kam in den Stellungnahmen der beiden nur in jeweils einer Nebenbemerkung vor. Dabei stand gerade Merkel unter Druck, sich zu den Vorgängen in Syrien zu äußern.

Ihr Außenminister Guido Westerwelle hatte in einem Interview zuvor nochmals betont, Russland habe bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung eine Schlüsselrolle. Nun müsse der Druck auf den Kreml erhöht werden. Eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen hatte zuvor an die Regierungschefin appelliert, auf eine russische Positionsänderung zu dringen.

Immerhin gelang es den Journalisten, Putin durch beharrliches Fragen zu einer näheren Festlegung zu motivieren. Die Einschätzung der Gastgeberin, in der Syrien-Frage gebe es "ab und zu" Unterschiede zwischen ihr und Putin, quittierte der Staatspräsident mit unbewegten Gesicht. Was er aber deutlich mache wollte, ist folgendes: "Jeder muss seinen Beitrag dazu leisten, einen Bürgerkrieg zu verhindern."

Ungeachtet der Massaker sprach er sich für eine behutsame politische Lösung aus. Der Sechs-Punkte-Friedensplan des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan müsse weiter verfolgt werden. Putin: "Diese Mission darf nicht scheitern." Die Kanzlerin formulierte es drastischer: Der Annan-Plan dürfe nicht "im Chaos versinken". Man dürfe aber "nichts mit Gewalt bewirken", erteilt Putin allen Gedankenspielen für eine militärische Lösung eine Absage. Ob es richtig sei, dass der Kreml Waffen an die Regierung in Damaskus liefere? Putin konterte: "Moskau wird keine der Konfliktparteien unterstützen." Man werde aber den Kontakt zu dem Assad-Regime halten.

Als "sehr freundschaftliche" Begegnung bewerteten beide anschließend das Gespräch. Das hinderte die Gastgeberin nicht daran, auf die Defizite bei der Menschenrechtslage in Russland hinzuweisen: "Ich habe deutlich gemacht, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass die demokratische Vielfalt sich in Russland weiter entwickeln kann."

Das Thema Menschenrechte und die Situation in Syrien haben auch bei dem Gespräch im Bundespräsidialamt eine zentrale Rolle gespielt. Beide Seiten zeigten sich über die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen sehr erfreut. Das Handelsvolumen sei erheblich angestiegen. Ein weiteres Stichwort war die Euro-Finanzkrise.

Aber Merkel und Putin wollen auch wieder in die Zukunft schauen. Im Oktober will man sich in der russischen Stadt Kasan zu den 14. deutsch-russischen Regierungskonsultationen erneut treffen. "Hoffentlich haben wir das Syrien-Thema dann vom Tisch", meint ein deutscher Diplomat.

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