Eklat bei den EU-Etatverhandlungen Abgeordnete sprechen von "Tricks und Manipulation" der Ratspräsidentschaft
BRÜSSEL · In der Europäischen Union (EU) steht ein beispielloser Eklat um den Haushalt für 2014 bis 2020 bevor. Nur wenige Stunden, nachdem der irische Außenminister Eamon Gilmore als Vertreter der Ratspräsidentschaft eine Einigung mit dem EU-Parlament verkündet hatte, wiesen die Spitzen der Fraktionen diese Darstellung am Donnerstag zurück.
"Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine Einigung", betonten Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne gleichlautend und sprachen von "Manipulation", "üblichen Tricks" und "bösartigen Verdrehungen". Der Berichterstatter des Plenums, der CDU-Europa-Abgeordnete Reimer Böge, gab nun sein Mandat zurück und betonte, man habe beschlossen, die "Verhandlungen nicht weiter fortzuführen".
Nachdem sich die Staats- und Regierungschefs im Februar auf einen Ausgabenrahmen von 960 Milliarden Euro für sieben Jahre geeinigt hatten, legten sich die Volksvertreter quer und forderten Nachbesserungen. Wichtigster Punkt: Das Parlament wollte mehr Flexibilität erreichen, um nicht benötigte Gelder in andere Töpfe umleiten zu können.
Außerdem bestanden die Abgeordneten auf einer Überprüfung der Einnahmen und Ausgaben zur Mitte der Sieben-Jahres-Periode. Darüberhinaus sollten die Eigenmittel der Union grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden. "Es geht nicht um mehr Geld, es geht darum, es besser auszugeben", hatte der Präsident des Parlamentes, Martin Schulz, stets betont.
Doch trotz mehrerer Verhandlungsrunden konnten sich die Vertreter der Mitgliedstaaten mit den Parlamentariern nicht einigen. Daraufhin wollte die irische Ratspräsidentschaft jetzt offenbar einen Durchbruch erzwingen. Dublins Außenamtschef Gilmore verkündete eine tatsächlich gar nicht vorhandene Verständigung mit dem Parlament, um dessen Unterhändler auszuschalten.
Er setzt darauf, dass das Plenum der Volksvertretung seine eigenen Berichterstatter düpiert und unter dem Druck der Mitgliedstaaten dem Paket doch zustimmt. Am Dienstag will Gilmore sein Verhandlungsergebnis von den übrigen Außenministern billigen lassen, in der ersten Juli-Woche soll dann das Straßburger Parlament Stellung beziehen. Ob es dazu kommt, ist allerdings zweifelhaft. "Es hat keine Einigung gegeben. Und ich kann als Berichterstatter dem Parlament auch nicht empfehlen, das Papier anzunehmen", betonte der CDU-Politiker Böge.
Tatsächlich spielt die irische Ratspräsidentschaft ein gewagtes Spiel. Da die Volksvertretung beim Haushalt ein Veto-Recht hat, könnte das Plenum den Etat endgültig stoppen und die Planungen für das kommende Jahr um Monate zurückwerfen. Schon bisher liegen wichtige Vorhaben der EU wie die Regionalförderung, die Forschungsmittel und auch Hilfen für arbeitslose Jugendliche auf Eis, weil nicht feststeht, wie viel Geld nun wirklich ausgegeben werden kann.
Die Situation wird noch dadurch erschwert, dass die Union inzwischen - zum zweiten Mal nach Herbst 2012 - Pleite ist, da die gebilligten und im Haushalt ausgewiesenen Töpfe leer sind. Mit dramatischen Folgen: So musste Kommissionspräsident José Manuel Barroso inzwischen eine bereits angekündigte Hilfe für die Flutopfer in Deutschland, Österreich, Tschechien und der Slowakei zurückziehen, weil keine Mittel frei sind.