G8-Treffen am Lough Erne Acht Gipfelstürmer mit Friedensauftrag

ENNISKILLEN · Sie brauchen alle Luft zum Atmen. Die Krawatte - einfach abgelegt. Das Protokoll erlaubt ihnen diesen einen Hemdknopf Freiheit oder Freizeitgefühl. Schließlich tagen die großen Acht gewissermaßen informell, treffen also keine bindenden Beschlüsse. Hinter US-Präsident Barack Obama und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ist jetzt die wunderbare Seenlandschaft des Lough Erne zu sehen. Eigentlich könnten sie dort gemeinsam Boot fahren.

 Schwieriges Treffen: US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Wladimir Putin in Enniskillen.

Schwieriges Treffen: US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Wladimir Putin in Enniskillen.

Foto: AP

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich etwas früher am Abend schon mit dem Wasser des Lough Erne im Hintergrund erklärt: zur Weltwirtschaft, zu Syrien, zur Türkei. Doch Vorsicht, die Idylle ist nur eine übergroße Plakatwand, die dem Zuschauer die Illusion gibt, als tauschten sich die mächtigsten Staatenlenker auf diesem Globus unter freiem Himmel aus. Tatsächlich sitzen sie gerade aber in einem ziemlich schmucklosen Zelt.

Dafür ist das Wetter über der irischen Insel, das normalerweise mehrmals täglich zwischen Sonne, Windböen und Regenschauer wechselt, seit Ankunft Merkel erstaunlich stabil. Und es hält über zwei Gipfel-Tage. Rechnet man die Stunde Zeitverschiebung nach Deutschland ein, feiert die Bundeskanzlerin sogar eine ganz besondere Mittsommernacht. Bis knapp vor Mitternacht ist es nach mitteleuropäischer Zeit hier am Lough Erne noch hell - lange bei wunderbarer Abendsonne.

Die Gegend kann etwas Glanz und Licht gebrauchen. Der kilometerlange, gut vier Meter hohe Zaun, der die Gipfelmächtigen mit ihren Delegationen vom Rest der Welt abschirmt, vermittelt das Gefühl, als halte man sich im früheren Zonenrandgebiet auf. Und so gebeutelt ist die Region um die nordirische Kleinstadt Enniskillen mit ihren 13.000 Einwohnern auch. Viele Einzelhandelsgeschäfte stehen leer.

Selbst das Fünf-Sterne-Golfhotel, das die G8-Teilnehmer beherbergt, ist pleite. Damit die nicht dekorierten Vitrinen der kleinen Läden im Ort nicht allzu trostlos aussehen, sind sie mit Attrappen beklebt und erwecken so den Eindruck, als seien echte Waren ausgestellt. Über einen früheren Metzgerladen, den seit einem Jahr keine Kunden mehr betreten haben, kursiert der Witz, dort gebe es allenfalls noch "Potemkinsche Würste".

Das Treffen Obamas mit Putin ist keines der leichten Art. Syrien ist ein harter Konflikt. Auch für den Präsidenten der Weltmacht USA und den Führer der Großmacht Russland. Obama will Waffen an die Rebellen liefern, weil er Beweise für einen Giftgaseinsatz des syrischen Regimes sieht. Putin zweifelt zwar den Einsatz von Giftwaffen in Syrien nicht mehr an, will ihn aber offenbar keiner Bürgerkriegspartei zuschreiben. Zudem ist das Regime von Machthaber Baschar al-Assad nach russischer Lesart ordentlich gewählt. Und: Putin hätte gerne Gewissheit, wer und was nach Assad in Syrien kommt. Doch darauf kann ihn im Kreise der großen Acht niemand eine verlässliche Antwort geben.

Gemessen an Obamas und Putins Körpersprache nach ihrem Meinungsaustausch bei offenem Hemdkragen könnte man meinen, der Kalte Krieg sei soeben wieder ausgebrochen, obwohl Obama doch noch eigens betont, der Kalte Krieg sei vorbei. Obama und Putin vermeiden jeden Blickkontakt auf offener Bühne. Putin knetet während Obamas Ausführungen den Zeigefinger seiner linken Hand und tippt nervös mit der Spitze seines linken Schuhs auf dem Boden.

Aber bitte, es hat auch gemenschelt zwischen den USA und Russland. Trotz Syrien. Putin hat Obama von seinen Erfolgen im Judo erzählt. Und Obama wiederum von seinen Würfen beim Basketball. Der eine legt eben gerne den Gegner auf die Matte, der andere wiederum hängt für den Wettbewerber die Körbe sehr hoch. Obama witzelt, er habe Putin von seinen nachlassenden Fähigkeiten im Basketball berichtet. Dieser antwortet immer noch spürbar verkrampft: "Der Präsident möchte mich mit seinen Worten entspannen." Da lächelt auch der US-Präsident. Immerhin.

Es ist zunächst doch so, wie Obama eingangs festgestellt hatte: "Was Syrien angeht, haben wir unterschiedliche Sichtweisen auf das Problem." Obama sagt, das Gespräch sei "nützlich" gewesen. Putin nennt es "ehrlich". Und so feilen die Gipfel-Sherpas in einer Nachtsitzung an Formulierungen über Syrien, hinter denen sich möglichst alle acht Regierungs- und Staatschefs versammeln können. Dann das Ergebnis: Alle im Kreis der großen Acht wollen eine zweite Genf-Friedenskonferenz für Syrien - möglichst noch bis zum Spätsommer. Sie soll eine Übergangsregierung in Damaskus mit exekutiven Vollmachten bringen. Ob Assad damit entmachtet wird, bleibt allerdings vorerst offen.

Bis dahin liefern die G8 schon mal und stocken ihre Syrien-Hilfe um eine Milliarde US-Dollar auf. Deutschland ist mit nochmals 200 Millionen Euro für humanitäre Hilfe dabei und verdoppelt damit seine bisherigen Zusagen von 190 Millionen Euro, wie Merkel am Rande des Gipfels herausstellt.

Und so arbeiten sich die G8-Staats- und Regierungschefs auch an Tag zwei ihres Treffens in Nordirland durch die üppige Tagesordnung. Der Kampf gegen Steuervermeidung in Steueroasen wie den britischen Überseegebieten und Kanalinseln eint den Klub der Mächtigen. Nur einer mag sich im Kreise der Acht auch beim obligatorischen Familienfoto immer noch nicht recht wohlfühlen: Wladimir Putin. Zwischen Merkel und Gastgeber David Cameron vermittelt sein Gesichtsausdruck den Eindruck, er wolle vor allem eines: schnell weg. Obama dagegen winkt und lächelt. Vorfreude auf das Brandenburger Tor? Berlin kann kommen.

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