Großübung bremst den Flugverkehr aus Das müssen Urlauber zur Operation „Air Defender 23“ wissen

Bonn · Für die am 12. Juni beginnende Operation "Air Defender 23" der Nato-Mitgliedsländer und einiger weiterer Staaten werden Teile des Luftraums in Deutschland zeitweise gesperrt. Was Passagiere wissen müssen.

 Ein Airbus A400M Transportflugzeug (oben) fliegt im Juli 2019 vor einem Panavia 200 (PA-200) Tornado Mehrzweckkampfflugzeug (l.) und einem Eurofighter Typhoon Mehrzweckkampfflugzeug über den Fliegerhorst Wunstorf.

Ein Airbus A400M Transportflugzeug (oben) fliegt im Juli 2019 vor einem Panavia 200 (PA-200) Tornado Mehrzweckkampfflugzeug (l.) und einem Eurofighter Typhoon Mehrzweckkampfflugzeug über den Fliegerhorst Wunstorf.

Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Im Juni wird es an mehreren Tagen eng in Deutschlands Luftraum. Das Militär übt im Rahmen von „Air Defender 23“, die zivile Luftfahrt muss zurückstecken. Wer in den Urlaub nach Mallorca fliegen möchte, zur Sommersonnenwende nach Nordschweden oder an die Mittelmeerstrände der Türkei braucht möglicherweise Geduld. Noch ist kaum abzusehen, wie groß die Folgen sind. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

■ Was ist Air Defender 23?

Hinter dem Begriff „Air Defender“ (englisch für Luft-Verteidigung) verbirgt sich die größte Luftübung des Nordatlantikpaktes (Nato) seit dessen Gründung 1949. Die Streitkräfte proben gemeinsam die Verteidigung. Vom 12. bis 23. Juni werden mehr als 230 Flugzeuge und um die 10.000 Soldaten Einsätze fliegen. Allein die USA schicken fast 100 Flugzeuge. Unter anderem wird geübt, größere Truppenteile schnell zu verlegen. Die Luftwaffe steuert die Übung. Beteiligt sind 20 EU-Staaten, darunter Frankreich, Polen und Rumänien sowie Schweden, das noch nicht in der Nato ist. Dazu kommen Großbritannien, Norwegen, die Türkei, die USA und Japan (ebenfalls nicht in der Nato).

■ Warum wird gerade jetzt geübt?

Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine hat Air Defender zunächst nichts zu tun. Geplant wird die Großübung seit etwa vier Jahren. Ursprünglich sollte sie zeigen, dass Deutschland im Rahmen der Nato multinationale fliegende Großverbände aufstellen und steuern kann. Air Defender ist so etwas wie die Abschlussarbeit. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist die Übung auch ein Zeichen für die Streitmacht der Nato – und dafür, wie bereit sie ist, ihr Gebiet zu verteidigen.

■ Was passiert genau?

Geübt werden Manöver in verschiedenen Flughöhen zwischen 2500 und 10.000 Metern. Vorgesehen sind auch Jet-Fight-Flüge in Höhen ab 3000 Metern, vor allem über der Nordsee. Täglich soll es zudem Flüge nach Estland und Rumänien an die Außengrenzen der Nato geben. Hauptdrehkreuze der Flieger sind die Militärflugplätze Hohn bei Rendsburg in Schleswig-Holstein, Wunstorf nordwestlich Hannovers in Niedersachsen und Lechfeld westlich Münchens in Bayern. Aber auch von anderen Standorten in Deutschland aus starten Maschinen, etwa aus Jagel bei Schleswig. Einbezogen sind auch Flugplätze in den Niederlanden und Tschechien.

■ Was bedeutet die Übung für den zivilen Flugverkehr?

Wo Kampfjets tanken und Einsätze üben, dürfen zivile Flugzeuge nicht fliegen. Um möglichst wenig zu stören, sind drei Bereiche im Luftraum festgelegt worden, die das Militär zum Teil ohnehin häufig nutzt. Flugzone Nord betrifft Ostfriesland, Teile des Emslandes und das nördliche Schleswig-Holstein. Ost deckt Mecklenburg-Vorpommern, einen Teil Berlin-Brandenburgs und ein großes Gebiet zwischen Leipzig und Dresden ab. Süd ist ein Band von Rheinland-Pfalz über Stuttgart bis Augsburg und Kempten im Allgäu. Die drei Zonen werden zu unterschiedlichen Tageszeiten komplett für Lufthansa, Easyjet und andere gesperrt: Nord täglich zwischen 16 und 20 Uhr, Ost zwischen 10 und 14 Uhr, Süd zwischen 13 und 17 Uhr. Allerdings gibt es innerhalb der Zonen Korridore, die zivile Flugzeuge nutzen können. Am Wochenende fliegt das Militär nicht.

■ Wie viele Flüge fallen aus, weil der Luftraum zeitweise gesperrt ist?

Die europäische Flugsicherung Eurocontrol hat dreimal – zuletzt Anfang Mai mit dem geplanten Flugplan – durchgespielt, wie der zivile Flugverkehr beeinträchtigt wird. Dass Flüge ausfallen, wird nicht erwartet. Allerdings können sich Flüge von oder zu deutschen Flughäfen verspäten oder länger unterwegs sein, weil die Sperrzonen umflogen werden müssen. Der Luftverkehrsverband BDL erklärte: „Eine genaue Vorhersage kann hierzu derzeit nicht getroffen werden.“ Die Fluggesellschaften wissen seit Längerem von der Übung und sollten ihre Flugpläne entsprechend angepasst haben. Die Lufthansa als größte deutsche Fluggesellschaft wollte sich nicht äußern. Eurocon­trol werde zahlreiche Flüge, die üblicherweise über Deutschland flögen, hier aber nicht landeten, umleiten, um den deutschen Luftraum zu entlasten, hieß es beim BDL. Außerdem soll das Nachtflugverbot gelockert werden, sollten Maschinen wegen der Militärübung abends verspätet sein. „Wir sind mit den Landesluftfahrtbehörden dazu im Gespräch.“

■ Kann ich noch einen Flug buchen?

Es spricht nichts dagegen, jetzt einen Flug im Zeitraum der Übung zu buchen. Eine Garantie, dass der Flug pünktlich ist, gibt es nicht. Die Flughäfen Stuttgart und Berlin liegen jeweils in einer der Flugzonen, allerdings in einem Korridor, in dem Starts und Landungen möglich sind. Die großen Flughäfen Frankfurt, München, Düsseldorf und Köln/Bonn sowie Hamburg sind nicht direkt betroffen, Umwege könnten aber nötig sein. Die Deutsche Flugsicherung, die das zivile Geschehen am Himmel steuert, hat ihr Personal schon einmal deutlich aufgestockt. Grundsätzlich bleibt ein Problem: Der Luftraum über Deutschland ist ohnehin voll, auf bestimmten Strecken wird es im Zuge von „Air Defender“ noch voller. Wer ganz sicher gehen will und jedes Risiko scheut, sollte eine Flugreise vielleicht verschieben. Auskunft zu konkreten Flügen geben die jeweiligen Fluggesellschaften.

■ Wie laut wird die Übung? Kehren die Tiefflieger über Deutschland zurück?

Fluglärm wird sich vor allem bei Starts und Landungen nicht vermeiden lassen, wie die Bundeswehr berichtet. Transportmaschinen und Kampfflieger sind in der Regel nicht darauf optimiert, besonders leise zu sein. Im Rahmen von „Air Defender“ sind Tiefflüge, bei denen die Maschinen unter 600 Metern über dem Boden fliegen, über Land nicht geplant. Vorgesehen sind sie über der Ostsee. Beschwerden sind beim Luftfahrtamt der Bundeswehr unter der kostenfreien Telefonnummer ☎ 0800/86 20 730 möglich.

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