Die CDU und das Internet AKK erntet Kritik und wird zur Anti-Heldin der Jugend

Berlin · CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer wird zur Anti-Heldin der Jugend und der Netzgemeinde. Auch in ihrer eigenen Partei schwindet der Rückhalt. Droht ihr das Schicksal von Provinzpolitikern, die in Berlin scheitern?

Es ist nicht so, dass Annegret Kramp-Karrenbauer blauäugig gewesen wäre. Auf die Frage, woran sie in Berlin scheitern könnte, hatte die Saarländerin im vorigen Jahr gesagt: „Es gibt ja viele erfolgreiche Landespolitiker, die den Sprung auf die Bundesebene gewagt haben und gescheitert sind.“ Sie sei lange genug in der Politik, um zu wissen, dass Stimmungen Momentaufnahmen seien „und sich alles jederzeit wieder ändern kann“. Im Moment dreht sich die anfangs gute Stimmung für Angela Merkels Nachfolgerin als CDU-Vorsitzende und Favoritin für die nächste Kanzlerkandidatur. Die Frau, die das Saarland so erfolgreich geführt hat, erlebt auf dem gefürchteten glatten Parkett in Berlin gerade, was der Unterschied zwischen der Politik in einer überschaubar, lieblichen Provinz und der überhitzten Bundeshauptstadt ist: Jedes Wort, jeder Schritt wird beobachtet, kommentiert, bejubelt oder beklagt. Nichts ist egal.

Die so kämpferische und risikobereite CDU-Chefin ist aus dem Tritt geraten. Dem ersten Sturm der Empörung hatte sie sich noch eisenhart entgegengestellt. Das war im Karneval, als sie auf Kosten der kleinen Minderheit des dritten Geschlechts einen Witz über die Nutzer von Transgender-Toiletten riss. Betroffene sahen sich verletzt. Aber anstatt das zu bedauern, legte sie – angestachelt von Konservativen in Partei und Medien – am Aschermittwoch nach. Die Deutschen seien das „verkrampfteste Volk, das auf der Welt rumläuft“. AKKs Gegner nutzten das Internet um die entgleiste Äußerung zu einem Skandal hochzuziehen und nebenbei noch einmal auf ihre Haltung zur Homo-Ehe aufmerksam zu machen. Seitdem trägt die Saarländerin bei vielen Bürgern den Stempel „homophob“, was sie nicht ist.

Artikel 13 und die Youtuber

Wie schlecht die CDU kommunikativ aufgestellt ist, zeigte die europäische Debatte um die Uploadfilter und den Artikel 13 zum Schutz des Urheberrechts. Youtuber machten Stimmung gegen die CDU, dessen Europa-Abgeordneter Axel Voss die Reform mit ausgehandelt hatte. Die Parteizentrale war überrascht, wie gut die jungen Gegner informiert sind.

Dann erlebte die Parteichefin, dass es zwar Meinungsbilder im Bundesvorstand wie eine Ablehnung der CO2-Steuer gibt – dass das bei der Kommunikation nach außen aber viel differenzierter aussehen kann. CDU-Vize Armin Laschet bekannte, er halte es für falsch, einfach Nein zu dieser Steuer zu sagen. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus schloss sich an.

Seit dem ersten Tag ihrer Amtsführung im Dezember setzte sich Kramp-Karrenbauer von Merkel und deren Mitte-Links-Kurs ab. Merkel hatte den konservativen Flügel um Friedrich Merz, der Kramp-Karrenbauer bei der Vorstandswahl nur knapp unterlegen war, jahrelang vernachlässigt. Diesen Flügel wollte Kramp-Karrenbauer wieder einbinden, um eine Spaltung der Partei zu verhindern.

AKK rückte die Partei verbal nach rechts

Sie rückte ihre Partei vor allem verbal nach rechts und suchte auch den Schulterschluss mit der CSU in einer Herzlichkeit, die im Kanzleramt für Stirnrunzeln sorgte. In einem „Werkstattgespräch“ räumte sie mit Merkels Flüchtlingspolitik auf. Das Ergebnis fasste sie abends in der ARD mit dem Hinweis zusammen, dass als „Ultima Ratio“ in einer Krisensituation auch die deutschen Grenzen geschlossen werden könnten. Ein Affront gegen Merkel. Und auch gegen jene, die Kramp-Karrenbauer in der Mitte verortet hatten und dann Enttäuschungen erlebten.

Und nun gleich zwei Kommunikationsdesaster in einer Woche. Erst das millionenfach geklickte Video des Youtubers Rezo, der polemisch, aber zielgenau die Schwäche der CDU in der Umweltpolitik sezierte. Bis die Antwort kam, dauerte es eine Ewigkeit und sie kam per Pressemitteilung. Es fehlten eine Strategie und auch Coolness, damit umzugehen. Die Idee, den etwas schrullig wirkenden aber blitzgescheiten 26-jährigen Philipp Amthor in einem eigenen Video reagieren zu lassen, war nicht schlecht. Stattdessen verschickte die Partei aber ein neunseitiges Papier. Der Spott war der CDU sicher.

#AKKRücktritt wird auf Twitter verbreitet

Die Mitgliederinitiative „Union der Mitte“ fordert nun, Digitalisierung und Klimapolitik schnellstens in einem „Open Discussion-Format“ zu diskutieren. Im Schulterschluss zwischen Fachpolitikern, Experten, Mitgliedern und Interessierten sollen CDU-Positionen auf den Prüfstand kommen und „fachliche Lücken“ geschlossen werden. Ein Dilemma: Bei den drei Landtagswahlen im Osten im Herbst, wo sich zumindest in zwei Ländern eine Mehrheit für die AfD abzeichnet, kann die CDU mit Klimawandel und Weltoffenheit kaum punkten. Und nun AKKs Nachdenken über „Regeln für Meinungsmache im Wahlkampf“, nachdem 70 Youtuber einen Wahlaufruf gegen CDU, SPD und AfD gestartet hatten. Natürlich ist sie gegen Zensur, aber die Wörter einer CDU-Chefin liegen nun mal auf der Goldwaage. Missverständnisse kann sie sich nicht erlauben. Generalsekretär Paul Ziemiak und Bundesvizegeschäftsführer Nico Lange sind ihr keine Hilfe. Dabei will sie einen entscheidenden Punkt ansprechen: Den Umgang miteinander, gelebte Werte, Anstand. Am Dienstag konnte sie auf Twitter lesen: „#AKKRücktritt“.

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