Kritik am Berlin-Bonn-Gesetz Alle Ministerien müssen in Bonn bleiben

Bonn · Bonner Abgeordnete kritisieren den Regierungsbericht über die Arbeitsteilung zwischen Haupt- und Bundesstadt und fordern eine Zusatzvereinbarung zugunsten Bonns.

Es war an einem Dienstag im Oktober, als Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) einen Bericht gleich an zwei Orten vorstellte – zuerst in ihrem Ministerium am Bonner Robert-Schuman-Platz, ein paar Stunden später am Dienstsitz in Berlin. Weil es sich um den Entwurf des Statusberichts der Bonn/Berlin-Beauftragten handelte, machte ein solches Vorgehen ja sogar Sinn. An diesem Mittwoch nun – also vier Monate später – hat das Bundeskabinett über eben diesen, jetzt endgültigen Statusbericht beraten und ihn zur Kenntnis genommen.

Am Kern des Berichts hat sich in dieser Zeit allerdings nichts geändert: Die Arbeitsteilung zwischen den Regierungssitzen Bonn und Berlin funktioniere, sie gehe aber zu Lasten der Effektivität. Trotz der „größtmöglichen Nutzung technischer Mittel“ leide die Arbeitseffizienz.

Wie eine Sprecherin von Hendricks dem GA mitteilte, hat sich inhaltlich kaum etwas verändert. An einer Stelle sei der Textaufbau geändert, an einer anderen Stelle eine etwas veränderte Schlussfolgerung gezogen worden. Marginale Veränderungen also. Bei der Vorstellung des Berichts hatte Hendricks von einer „ergebnisoffenen Bestandsaufnahme“ gesprochen und betont, dass sie „keine Empfehlung für einen Komplettumzug“ geben wolle. Laut Bauministerium soll der Bericht als „Faktengrundlage“ für die künftige Ausgestaltung der Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin dienen.

Ein Fakt ist, dass es im Jahr 2015 20.700 „teilungsbedingte“ Dienstreisen zwischen beiden Städten gab. Dem Berlin-Bonn-Gesetz zufolge muss die Mehrheit der Arbeitsplätze in den Ministerien aber eigentlich in Bonn sein. Das ist allerdings schon seit 2008 nicht mehr so. Ende 2015 beschäftigten die Ministerien 12.654 Menschen in Berlin und 7030 in Bonn.

Bonner Abgeordnete aus Bundestag und Landtag kritisieren, zum Teil mit heftigen Worten, den Statusbericht. Katja Dörner, die Grünen-Bundestagsabgeordnete, meint: „Es ist inakzeptabel, dass die Bundesregierung es weithin einfach hinnimmt, dass das Bonn-Berlin-Gesetz nicht eingehalten wird.“ Obwohl sich Hendricks ausdrücklich jeder Aussage zum Komplettumzug entzieht, äußert Dörner die Sorge, „dass dieser Statusbericht als Argumentationsgrundlage für einen Komplettumzug herangezogen wird“. Dabei zeige der Bericht, dass die Arbeitsteilung funktioniere. Negative Effekte auf die Zusammenarbeit zwischen den beiden Regierungssitzen entstünden „in erster Linie durch den Rutschbahneffekt“. Dieser müsse endlich gestoppt werden, so Dörner. Sie erwarte, dass Organisationsentscheidungen der einzelnen Ressorts im Kabinett koordiniert würden. „Wenn das nicht ausreichend geschieht, ist ein klares Signal der Bundeskanzlerin notwendig.“

Dörners Kollegin, die CDU-Bundestagsabgeordnete Claudia Lücking-Michel fordert von der Bundesregierung, „das Berlin-Bonn-Gesetz im Sinne des Positionspapiers unserer Region zukunftsfest zu machen“. Darunter versteht Lücking-Michel zum Beispiel einen Vertrag, der den Verbleib ministerieller Arbeitsplätze in Bonn und die Unterstützung der für Bonn zukunftsweisenden Kompetenzbereiche verbindlich festschreibe – etwa Wissenschaft und Internationales. Eine solche Zusatzvereinbarung dürfe allerdings nicht hinter das bestehende Gesetz zurückfallen. „Alle in Bonn ansässigen Ministerien müssen in Bonn bleiben“, schreibt Lücking-Michel.

Besonders verärgert ist offenbar der Grünen-Landtagsabgeordnete Rolf Beu über den Statusbericht. Er spricht in seiner Stellungnahme von „altbekannten Phrasen“ und einer „Sammlung von Pauschalwahrheiten und Gemeinplätzen“, die „nicht brauchbar“ seien. Entscheidend sei der politische Wille, die Arbeitsaufteilung zwischen den beiden Regierungsstädten sinnvoll weiter zu entwickeln. „Die deutsche UN-Stadt, nahe des EU-Sitzes in Brüssel, ist ohne Präsenz der Bundesministerien nicht vorstellbar.“ Ob das auch in der nächsten Wahlperiode noch Konsens der Entscheidungsträger in Bundestag und Bundesregierung ist, ist derzeit noch völlig unklar.

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