Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Amri wurde als normaler Abschiebefall behandelt

Düsseldorf · Die Zentrale Ausländerbehörde Köln sollte gegenüber Tunesien den Gefährder-Status von Anis Amri verschweigen. Die Anweisung kam vom NRW-Innenministerium, welches auch eine Begründung für dieses Vorgehen hat.

 Die Bildkombo zeigt die Fahndungsfotos des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri. FOTO: DPA

Die Bildkombo zeigt die Fahndungsfotos des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri. FOTO: DPA

Foto: picture alliance / -/Bundeskrimi

Der Berliner Attentäter Anis Amri ist von der für ihn zuständigen Zentralen Ausländerbehörde Köln (ZAB) so behandelt worden wie jeder andere ausreisepflichtige Tunesier auch. Auf ausdrücklichen Wunsch des NRW-Innenministeriums sei bei der Beantragung von Passersatzpapieren (PEP) für den 24-Jährigen gegenüber den tunesischen Behörden nicht deutlich gemacht worden, dass es sich um einen aktenkundigen islamistischen „Gefährder“ handele, sagte die Kölner Gruppenleiterin für Passersatzbeschaffung am Dienstag im Untersuchungsausschuss des Landtags.

Die ZAB Köln habe den Fall im August 2016 von der Ausländerbehörde Kleve übernommen, wo Amri gemeldet war. Von dort seien auch Hinweise auf den Gefährder-Status des Tunesiers gekommen. Die Gruppenleiterin sagte aus, sie habe vom Innenministerium wissen wollen, ob man gegenüber dem tunesischen Generalkonsulat die Dringlichkeit der Passersatzpapier-Beschaffung mit Amris Gefährder-Einstufung durch die Sicherheitsbehörden begründen dürfe. Dies sei verneint worden, was man in Köln aber nicht weiter hinterfragte.

„Wenn mir das Ministerium sagt Nein, dann ist das so“, erklärte die Zeugin. So wurde der Fall Amri als normales PEP-Verfahren ohne Eilbedürftigkeit auf den Weg gebracht.

Das Innenministerium steht auf dem Standpunkt, dass man den Gefährder-Status nicht offen kommunizieren konnte, da es in Tunesien große Vorbehalte gegenüber der Rücknahme von Staatsbürgern mit islamistischem Hintergrund gebe. Es habe die Gefahr bestanden, dass sich die Passersatzpapier-Beschaffung noch weiter hätte verzögern könnten. Die Identifizierung Amris für den Heimflug erstreckte sich aber auch so über Monate und erfolgte erst zwei Tage nach dem Berliner Weihnachtsmarkt-Attentat.

Die Kölner Gruppenleiterin und ihre für Tunesien zuständige Sachbearbeiterin machten vor dem Untersuchungsausschuss deutlich, dass es im Fall Amri sehr wohl eine besondere Behördensensibilität gab. Man bearbeite jährlich nur etwa 50 Abschiebefälle aus Tunesien von insgesamt 3000 Verfahren. Und: „Wir kriegen nicht jeden Tag ein Ersuchen, in dem drin steht ,Gefährder'“, sagte die Gruppenleiterin. Überdies habe bereits zwei Tage, bevor der Fall Amri aus Kleve der Kölner ZAB überhaupt vorlag, das Innenministerium angefragt, inwieweit der Vorgang bekannt sei. Die Mitarbeiterinnen der Ausländerbehörde bestätigten grundsätzlich die Schwierigkeiten mit Passersatz-Verfahren aus Tunesien, die meistens sechs Monate, gelegentlich aber auch mehr als ein Jahr in Anspruch nähmen.

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