Flüchtlinge in Europa Asylrecht gilt auch in Krisenzeiten

Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass die Bundesregierung mit ihrer Aufnahme von Flüchtlingen 2015 nicht gegen die Regeln verstoßen hat.

 Die beiden Türme des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.

Die beiden Türme des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.

Foto: dpa

Der Europäische Gerichtshof hat mit einem Urteil zur Flüchtlingspolitik das Handeln der Bundesregierung im Spätsommer 2015 rückblickend unbeanstandet gelassen. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass auch bei außergewöhnlich hohen Flüchtlingszahlen der Einreisestaat für die Prüfung von Asylanträgen zuständig ist. Zugleich betonten sie, dass im „Geiste der Solidarität“ auch andere Staaten bei ihnen gestellte Asylanträge prüfen können. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung handelte nach Ansicht der Luxemburger Richter 2015 nicht illegal, als sie die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge in Deutschland aufnahm.

Konkret entschied der Europäische Gerichtshof in den Fällen eines Syrers und einer afghanischen Familie, die sich gegen ihre Abschiebung von Slowenien beziehungsweise von Österreich nach Kroatien wehren wollten. Die Richter bestätigten in ihrem Urteil die sogenannte Dublin-III-Regelung. Diese sieht vor, dass das Land, in dem ein Flüchtling zum ersten Mal registriert wird, entscheiden muss, ob es dem Asylsuchenden Schutz gewährt.

Von dieser Regel gibt es aber zwei Ausnahmen. Zum einen können sich EU-Staaten untereinander solidarisch erklären und freiwillig die Prüfung von Asylanträgen übernehmen. Dies tat die Bundesregierung 2015 und 2016 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Die zweite Ausnahme der Dublin-III-Regel besagt, dass Flüchtlinge dann nicht in das ursprüngliche EU-Einreiseland zurückgeschickt werden dürfen, wenn ihnen wegen der dort bereits hohen Anzahl an Flüchtlingen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Das Verwaltungsgericht München entschied, dass dies derzeit in Italien der Fall ist.

Mit ihrem Urteil machten die Richter auch deutlich, dass die Praxis des „Durchwinkens“ von Flüchtlingen vom Südosten Europas in den Nordwesten eben nicht den Vorgaben entspricht. Als Konsequenz aus dem EuGH-Urteil will der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer nun „die Spielräume ausloten, die sich für die Rückführungen von Asylbewerbern in ursprünglich zuständige Mitgliedstaaten ergeben.“

Die Bundesregierung begrüßte das Urteil. Das Innenministerium erklärte, man sehe sich in der Auffassung bestätigt, dass die sogenannte Dublin-Verordnung grundsätzlich auch in einer Ausnahmesituation Gültigkeit habe.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mahnte in Zusammenhang mit dem Urteil eine europäische Lösung an. „Wir brauchen eine faire Verteilung unter allen Mitgliedsstaaten.“ Konkret müsse es darum gehen, Italien schnell zu helfen, betonte Schulz, der heute nach Italien reist und Ministerpräsident Paolo Gentiloni treffen will. Kanzlerin Merkel sagte Gentiloni bereits telefonisch Unterstützung bei der Bewältigung des Flüchtlingsandrangs zu, wie Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer gestern mitteilte.

Demnächst urteilt der EuGH über die beschlossene Flüchtlingsverteilung in Europa, gegen die Ungarn und die Slowakei geklagt haben. Nach Einschätzung des Generalanwalts ist die Umverteilung aber nicht rechtswidrig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Falsche Zeichen
Kommentar zum Treffen von Steinmeier mit Erdogan Falsche Zeichen
Aus dem Ressort
Europa der Egoismen
Kommentar zum Richterspruch zur deutschen Flüchtlingspolitik Europa der Egoismen