Athen beantragt drittes Hilfspaket

Paris/Brüssel/Athen · Griechenland stemmt sich mit einem neuen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsschirm ESM gegen die Staatspleite und bittet seine Gläubiger einmal mehr um Geduld. Heute beantragte Athen ein dreijähriges und in der Höhe nicht näher beziffertes Hilfsprogramm.

 Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras wird von Mitgliedern der Linksfraktion des Europaparlaments in Straßburg begrüßt. Foto: Patrick Seeger

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras wird von Mitgliedern der Linksfraktion des Europaparlaments in Straßburg begrüßt. Foto: Patrick Seeger

Foto: DPA

Auf detaillierte Reform- und Sparvorschläge müssen die Gläubiger aber wohl noch bis diesen Donnerstag warten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält ihre Ela-Notkredite für griechische Banken offenbar weiter auf dem bisherigen Stand.

Der ESM kann gegen strenge Auflagen Finanzhilfen an Euro-Länder gewähren, wenn die Stabilität des gemeinsamen Währungsraumes gefährdet erscheint. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem beauftragte als Vorsitzender des ESM-Gouverneursrates die EU-Kommission und die EZB mit einer ersten Prüfung des griechischen Rettungsantrags. Die Institutionen sollen die finanzielle Lage des akut pleitebedrohten Landes und zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auch dessen Schuldentragfähigkeit untersuchen. Letztlich müssen dann die Euro-Finanzminister darüber entscheiden, ob sie das mehrstufige Verfahren zur Gewährung neuer Rettungsmilliarden in Gang setzen.

Derweil bleiben die Notkredite für griechische Banken (Ela) nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg aus Notenbank-Kreisen vorerst auf dem aktuellen Stand von knapp 90 Milliarden Euro. Erst am kommenden Montag solle das Kreditvolumen wieder überprüft werden. Die seit Monaten gewährten Ela-Notkredite sind eigentlich als vorübergehende Unterstützung prinzipiell gesunder Geldhäuser gedacht.

Die EZB drohte damit, die bereits ausgereizten Ela-Nothilfen unverzüglich zu beenden, falls bis Sonntag keine Einigung im Schuldenstreit mit den Gläubigern stehe. "Wir beginnen, uns sehr große Sorgen zu machen", sagte EZB-Ratsmitglied Christian Noyer dem französischen Radiosender Europe 1. Griechenlands Wirtschaft bewege sich "am Rande einer Katastrophe". Sollte Athen am 20. Juli fällige und von der EZB gehaltene Staatsanleihen im Umfang von 3,5 Milliarden Euro nicht tilgen, wäre dies laut Noyers österreichischem EZB-Ratskollegen Ewald Nowotny "tatsächlich der Fall eines Staatsbankrotts".

Die EU-Kommission stellte klar, dass Athen im Gegenzug für neue Kredite bis spätestens Donnerstagnacht um 24 Uhr konkrete Reform- und Sparvorschläge liefern müsse. Nur wenn diese letztlich zustimmungsfähig sind, kann der EU-Sondergipfel am Sonntag weitere Hilfen abnicken - oder den "Grexit" einleiten. Zwar kündigte Griechenlands Regierung in ihrem Hilfsantrag beim ESM die Umsetzung erster Reformen im Steuer- und Rentensystem für Beginn kommender Woche an. Weitere Details blieben aber offen.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras warb im EU-Parlament um Vertrauen und Verständnis. Das neue Hilfsprogramm müsse die Belastungen für die Bevölkerung gerechter verteilen, "Arbeitnehmer und Rentner können keine zusätzlichen Lasten akzeptieren", mahnte Tsipras. Die bisherigen Programme hätten primär zur Rettung der Banken gedient. "Sie kamen nicht beim Volk an", sagte er.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums machte deutlich, dass aus deutscher Sicht die Voraussetzungen für neue Milliardenhilfen noch nicht erfüllt sind: "Wir brauchen hier ein in die Zukunft gerichtetes umfassendes Reformprogramm." Nicht nur einem neuen Hilfsprogramm, schon Verhandlungen darüber müsste auch der Bundestag zustimmen. Auch Ratspräsident Donald Tusk sprach eine deutliche Warnung aus: "Unsere Unfähigkeit zu einer Einigung könnte zur Pleite Griechenlands führen und zur Insolvenz seiner Banken."

Seit Montag voriger Woche sind die griechischen Banken geschlossen, mindestens bis kommenden Montag wird es dabei auch bleiben - und Experten rechnen schon jetzt damit, dass die Türen der Geldhäuser noch länger verriegelt sein werden. Barabhebungen sind nur begrenzt möglich, der Kapitalverkehr im Land wird streng kontrolliert.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte in der vergangenen Woche geschätzt, dass Athen bis 2018 zusätzlich mehr als 50 Milliarden Euro benötige. Vor dem jüngsten Referendum hatte Tsipras bereits ein Gesuch für ein Zwei-Jahres-Programm von rund 29 Milliarden Euro gestellt. Diese Summe gilt inzwischen als überholt, da sich die wirtschaftliche Lage Griechenlands wegen der Bankenschließungen und der Kapitalverkehrskontrollen dramatisch verschlechtert hat.

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Statement von Tusk

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