Athen nimmt nächste Hürde - Schwere Krawalle

Athen/Berlin · Auf dem Weg zu dringend benötigten neuen Milliarden-Hilfen hat Griechenland die nächste wichtige Hürde genommen. Das Parlament in Athen billigte in der Nacht zum Montag die heftig umstrittenen verschärften Sparanstrengungen, die Voraussetzung für die nächste Kapitalspritze sind.

Begleitet wurde die hitzig geführte Debatte von schweren Krawallen im Zentrum der Hauptstadt. Vermummte und gewalttätige Randalierer lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, zündeten Gebäude an und plünderten Geschäfte. Es gab Dutzende Verletzte, zahlreiche Randalierer wurden festgenommen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will aber dennoch bei dem Sparpaket hart bleiben.

Die EU-Kommission stellte Griechenland nach dem Ja im Parlament weitere Unterstützung in Aussicht. "Die EU steht an der Seite des griechischen Volkes", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Die gestrige Zustimmung ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Annahme des zweiten Hilfspakets."

Das neue Paket soll 130 Milliarden Euro umfassen. Der Kommissar zeigte sich zuversichtlich, dass Athen bis zum Treffen der Euro-Finanzminister an diesem Mittwoch (15.) in Brüssel alle Bedingungen erfüllt, so dass die Kredithilfen freigegeben werden können. Die geplanten Einschnitte in Griechenland sehen unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor sowie Entlassungen von 150 000 Staatsbediensteten bis 2015 vor.

Von den 278 anwesenden Abgeordneten hatten in der Nacht 199 Athener Parlamentarier der Sozialisten und der Konservativen sowie einige unabhängige Abgeordnete für das Sparpaket votiert. Es gab insgesamt 74 Gegenstimmen von kommunistischen und linken Abgeordneten sowie von zahlreichen Abweichlern aus den Reihen der Konservativen und der Sozialisten. Aus dem Regierungslager enthielten sich auch Abgeordnete und verweigerten so der Koalition die Gefolgschaft. Insgesamt gab es fünf Enthaltungen. Nach der Stimmabgabe schlossen Sozialisten und Konservative mehr als 40 Abweichler aus ihren Fraktionen aus.

Trotz massiver Proteste in Griechenland erteilte Kanzlerin Merkel Forderungen nach einer Abschwächung des Spar- und Reformprogramms eine Absage. "Eine Veränderung dieses Programms kann und wird es nicht geben", sagte sie in Berlin. Für sie sind eine Staatspleite und ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone weiter kein Thema. "Wir wollen Griechenland innerhalb der Euro-Zone helfen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) schließt dagegen eine Staatspleite und einen Ausschluss des Landes angesichts noch nicht komplett umgesetzter Reformen weiterhin nicht aus. Zu einer möglichen Staatspleite Athens hatte der Vize-Kanzler gesagt: "Der Tag X verliert zunehmend an Schrecken." Seibert sagte dazu lediglich: "Die Bundeskanzlerin denkt nicht in solchen Kategorien." Aber auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuletzt mehrfach betont, Griechenland dürfe kein Fass ohne Boden werden.

Nach Ansicht der SPD ist aber die Belastungsgrenze für die breite Bevölkerung Griechenlands erreicht. "Man kann nicht immer mehr nach oben draufsatteln", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Die Euro-Finanzminister erörtern an diesem Mittwoch laut einer Sprecherin des Bundesfinanzministeriums zunächst Bausteine und einige "Finanzbeschlüsse" für das zweite Griechenland-Paket. Die endgültige Entscheidung über das Athen-Paket II werde Anfang März fallen.

Das Ministerium geht davon aus, dass voraussichtlich Ende Februar feststeht, wie hoch die Beteiligung der privaten Gläubiger an dem angestrebten Schuldenerlass Griechenlands ist. Mit dem Forderungsverzicht und Anleiheumtausch soll die Schuldenlast Griechenlands um 100 Milliarden Euro gesenkt werden. Sie ist Voraussetzung für das zweite Hilfspaket.

In Athen kam es nach anfänglich friedlichen Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern vor allem in der Nacht zu schweren Ausschreitungen. Nach Angaben von Polizei und Rettungsdienst wurden in der griechischen Hauptstadt mindestens 75 Menschen verletzt, darunter 30 Polizisten. Die Polizei nahm mehr als 70 Personen fest, 60 weitere wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Nach Angaben des Händlerverbands wurden in Athen insgesamt 190 Geschäfte und zwei Kinos beschädigt. Auch in den Touristenhochburgen Kreta, Korfu und Thessaloniki kam es zu Ausschreitungen. Alle Parteien des Landes verurteilten die schweren Krawalle.

Griechenlands Ministerpräsident Lucas Papademos hatte die Abgeordneten während der teils hitzig geführten Parlamentsdebatte eindringlich aufgefordert, das Sparpaket zu billigen: Es sei eine "Entscheidung von historischer Bedeutung." Der parteilose Regierungschef kündigte ein neues Steuersystem an. "Der ganze Staat soll neu gegründet werden."

Das grüne Licht für das Sparprogramm sorgte an den Finanzmärkten für etwas Beruhigung: Auf dem Börsenparkett waren vor allem Banktitel gefragt. Der deutsche Leitindex Dax erlebte einen freundlichen Wochenauftakt und ging mit einem Plus von 0,68 Prozent aus dem Handel. Der Euro zeigte sich zunächst erholt, gab seine Gewinne aber größtenteils wieder ab.

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