Fragen und Antworten zum BGH-Urteil Auch ohne Kontakt unterhaltspflichtig
KARLSRUHE · Erwachsene Kinder müssen auch dann für Heimkosten ihrer Eltern aufkommen, wenn sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zueinander hatten. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch entschieden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Richter gaben damit der Stadt Bremen recht. Die Stadt verlangt von einem Beamten die Zahlung von 9000 Euro Heimkosten für dessen vor zwei Jahren gestorbenen Vater.
Der Mann wollte die Summe nicht zahlen. Der Grund: Der Vater hatte vor vier Jahrzehnten den Kontakt zu seinem damals fast erwachsenen Sohn abgebrochen, dessen Annäherungsversuche abgewiesen und ihn später bis auf den Pflichtteil enterbt. Der Anspruch auf Elternunterhalt sei dennoch nicht verwirkt, entschieden die Richter.
Warum haben Väter und Mütter auch ein Recht auf Unterhalt, wenn sie den Kontakt zu ihren Kindern selbst abgebrochen haben?
Im vorliegenden Fall verweigerte der Vater jedweden Kontakt zum Sohn. Dies allein ist nach dem Spruch der Richter kein Grund, der den Sohn von der Pflicht zu Beistand und Rücksicht entlässt. Außerdem habe sich der Vater in den ersten 18 Jahren um sein Kind gekümmert und damit seinerseits eine intensive elterliche Fürsorge gezeigt. Es spielt für das Gericht auch keine Rolle, dass der Sohn später sogar noch enterbt wurde.
Gibt es Ausnahmen von dieser Unterhaltspflicht?
Wenn eine schwere Verfehlung des betreffenden Elternteils vorliegt, verringert sich die Unterhaltspflicht. In welchem Umfang, beziffert der BGH nicht. Der Beitrag müsse nur in einer Höhe geleistet werden, "die der Billigkeit entspricht". Gleiches gilt, wenn das Elternteil durch sittliches Verschulden die Bedürftigkeit selbst herbeigeführt hat. Wenn es einem Kind gar nicht zumutbar ist, kann der Anspruch erlöschen.
Wie wird der Unterhaltsanspruch berechnet?
Zunächst wendet sich das Sozialamt an den Sohn oder die Tochter. Sie müssen dann Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögenslage geben - und zwar voll umfänglich, wie es im Juristendeutsch heißt. Vom Einkommen werden zunächst noch Ausgaben für die eigene Altersvorsorge abgezogen, zum Beispiel für eine private Rentenversicherung. Auch Finanzierungsraten für ein Darlehen werden angerechnet. Schließlich geht auch noch der Aufwand für die eigene Lebenshaltung in die Berechnung ein, wie folgendes Beispiel des Deutschen Anwaltsvereins zeigt.
Ein Single verdient 2200 Euro netto. 150 Euro zieht das Amt für den Rentenvertrag ab, den er abgeschlossen hat, 50 Euro für die Monatskarte und 100 Euro für den Ratenkredit. Anrechenbar bleiben damit 1900 Euro. Davon gehen noch 1600 Euro als Selbstbehalt ab. Die verbleibenden 300 Euro dürfen nur zur Hälfte für den Unterhalt beansprucht werden. Es bleibt damit eine monatliche Unterhaltspflicht von 150 Euro. Bei einer Familie mit zwei Kindern ist der Selbstbehalt entsprechend höher. Für den Partner werden 1280 Euro angerechnet, für das erste Kind 362 Euro, für das zweite 282 Euro. Das macht zusammen einen Betrag von 3524 Euro.
Müssen Vermögenswerte wie Schmuck oder Immobilien verkauft werden, wenn das Einkommen für die Unterhaltszahlung nicht ausreicht?
Vermögenswerte werden ab einer gewissen Größenordnung auch zur Finanzierung des Unterhalts herangezogen. Hier haben die obersten Richter aber vergleichsweise hohe Schonvermögen bestätigt. Für die eigene Altersvorsorge werden rund 100.000 Euro als Rücklage angesehen.
Dabei ist es egal, ob es sich bei den Werten um Schmuck, Aktien oder etwas anderes handelt. Eine selbstgenutzte Immobilie muss auch nicht veräußert werden. Statt dessen berechnet das Amt den Wohnwert und schlägt diesen dann bei der Berechnung dem Einkommen zu. Die Finanzierungskosten für das Eigenheim werden im Gegenzug wieder abgerechnet.