Razzien in NRW und Rheinland-Pfalz Auf der Suche nach wichtigen Beweisen

Bonn · Die Spionage-Vorwürfe gegen türkische Imame haben Konsequenzen: Am Mittwoch fanden mehrere Durchsuchungen statt. Der Grünen-Politiker Volker Beck kritisiert die späte Reaktion. Den Grund dafür sieht er im Flüchtlingsabkommen.

Die Fatih-Moschee in Bad Godesberg war am Mittwoch einer von mehreren Orten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, wo Beamte des BKA nach Beweismaterial gesucht haben. Beweismaterial dafür, dass Imame der türkischen Religionsbehörde Diyanet Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert haben sollen.

Mindestens 13 Imame aus NRW stehen bereits seit Längerem unter Verdacht. Nach wochenlangen Diskussionen um die Spitzeldienste der türkischen Regierung ließ die Generalbundesanwaltschaft mit Sitz in Karlsruhe am Mittwoch Razzien an vier Orten in NRW und Rheinland-Pfalz durchführen.

Außer in Bonn gab es, wie aus Ermittlungskreisen bekannt wurde, auch Einsätze des BKA in einer Moschee im Westerwald und zwei Wohnobjekten im Oberbergischen Kreis. Wie die Generalbundesanwaltschaft am frühen Nachmittag dann mitteilte, wurde Beweismaterial sichergestellt, darunter Kommunikationsmittel, Datenträger und schriftliche Unterlagen.

Ditib hatte die Spitzeleien bereits vor einem Monat eingeräumt. Auch die Bundesanwaltschaft ermittelt bereits seit Mitte Januar. Anlass der Ermittlungen war eine Strafanzeige des religionspolitischen Sprechers der Grünen, Volker Beck, die er bereits im Dezember stellte. Beck kritisiert die späte Reaktion der Behörden und findet auf GA-Anfrage deutliche Worte: „Es deutet manches darauf hin, dass hier womöglich absichtlich gebummelt wurde.“

Bis zu den Durchsuchungen sei zu viel Zeit vergangen. Auf Twitter schreibt Beck: „Das ist doch alles oberfaul – die Bundesregierung nutzt bei Ditib-Spionage demonstrativ nicht ihre Möglichkeiten. Sie mauert und mauert.“ Man hätte vorher agieren müssen und „Anfang Dezember mit den Ermittlungen beginnen müssen, dann hätte es vielleicht auch für Haftbefehle gereicht. Jetzt hat man hingenommen, dass die Verdächtigen in die Türkei türmen konnten“, führt Beck weiter aus.

Um die Verdächtigen festzusetzen, ist es jetzt womöglich zu spät. Nach GA-Informationen konnten die Ermittler den betreffenden Imam aus Bad Godesberg bei der Razzia nicht antreffen. Das kommt nicht überraschend. Der deutsche Islamverband Ditib, in dessen Gemeinden die Imame gearbeitet hatten, hatte bereits Anfang Februar angekündigt, dass „die Amtsdauer dieser Religionsbeauftragten in Deutschland vorzeitig beendet“ wurde. Mit anderen Worten, die Türkei hat ihre Geistlichen vermutlich bereits zurückgerufen.

Das Bundeskriminalamt macht zum Aufenthaltsort der Verdächtigen keine Angaben. Nur soviel: Es bestehe kein dringender Tatverdacht, daher hatten auch die Ermittlungsrichter Haftbefehle abgelehnt. So können Verdächtige nicht im Land festgehalten werden. Für Durchsuchungen allerdings reiche ein einfacher Tatverdacht.

Die Pressestelle der Ditib stand am Mittwoch telefonisch nicht unter der gewohnten Telefonnummer für Anfragen zur Verfügung. Es hieß, Anfragen würden nur schriftlich beantwortet. Bis Redaktionsschluss antwortete der Verband allerdings nur mit einer allgemeinen Stellungnahme auf gezielte Nachfragen. Darin heißt es, Ditib sei seit Bekanntwerden der Vorwürfe intensiv um Aufklärung bemüht. Und: „Die Ermittlungen richten sich nicht gegen den Ditib -Verband, nicht gegen Ditib-Mitarbeiter und auch nicht gegen die Ditib-Moscheen.“

Der Grünen-Politiker Beck glaubt auch zu wissen, warum die Regierung in diesem Fall absichtlich so viel Zeit verstreichen ließ, damit die muslimischen Geistlichen das Land verlassen können: „Ein denkbarer Hintergrund ist der Flüchtlingsdeal zwischen Deutschland und der Türkei.“ Das Abkommen solle durch die Vorkommnisse nicht gefährdet werden, glaubt Beck. Außerdem sei Merkel Anfang Februar auch noch zu Besuch beim türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim in Ankara gewesen. Zeitlicher Zufall? „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, kommentiert Beck.

Der Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte am Mittwoch, wenn sich der Spionageverdacht bestätige, müsse sich Ditib vorhalten lassen, „zumindest in Teilen ein verlängerter Arm der türkischen Regierung zu sein“. „Der Einfluss des türkischen Staats auf die Ditib ist zu groß.“ Der Dachverband müsse sich „glaubhaft von Ankara lösen“ und seine Satzung ändern, in der eine enge Verbindung zur Diyanet festgeschrieben sei. Beck dagegen bezeichnet Maas' Ausführungen als „Witz“ und „Ablenkungsmanöver“: „Die Spionage hat Ditib längst eingeräumt.“ Maas müsse erklären, warum er vorher nichts unternommen habe. „Wie kann ein Justizminister so naiv Empörung heucheln?“ so Beck. Und: „Warum hat es erst meine Strafanzeige gebraucht, damit etwas passiert?“ Ein Bericht über den Verdacht sei bereits zwei Wochen vorher in den Medien erschienen, führt der Grünen-Politiker weiter aus.

Ditib ist mit rund 900 Moscheegemeinden der größte Islamverband in Deutschland und kooperiert eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet . Diese bezahlt die Imame für die deutschen Gemeinden.

Spätestens seit dem Putschversuch in der Türkei, für den der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Prediger Fethullah Gülen und dessen Bewegung verantwortlich macht, wird die enge Verquickung kritisch gesehen. (Mit Material von ga/dpa/ afp)

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