Griechenland-Rettungspolitik Auftrag: Mehrheit

BERLIN · Volker Kauder hat einen Auftrag: eine Mehrheit muss her. Angela Merkels Mehrheit. Immer wieder hatte der CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag in den zurückliegenden Monaten Fragen nach einem eventuellen dritten Hilfspaket für Griechenland stereotyp mit dem Hinweis abgewehrt, ein solches stehe doch gar nicht zur Debatte.

Bald könnte es zur Debatte stehen, schneller als und kontroverser, als Kauder lieb ist - je nach Ausgang des Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs aller 28 EU-Staaten am Sonntag in Brüssel.

Schon bei der letzten Abstimmung im Bundestag über eine Verlängerung des zweiten Griechenland-Hilfsprogrammes um vier Monate musste Kauder gehörigen Unmut in den eigenen Reihen abfedern und Fraktionsdisziplin einfordern. Mehr als 100 Unionsabgeordnete gaben ihre Bedenken zur laufenden Griechenland-Rettung zu Protokoll, auch wenn sie größtenteils zustimmten. 29 der insgesamt 311 Abgeordneten von CDU und CSU votierten damals mit Nein, drei enthielten sich.

Doch im Falle eines dritten Griechenland-Rettungspaketes würde es "sehr, sehr schwierig, für ein drittes Hilfspaket eine Mehrheit in der Unionsfraktion zu finden. Möglicherweise gibt es aber eine deutliche Mehrheit im Bundestag", sagte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach dem General-Anzeiger. Jetzt muss Kauder als Merkels Frontmann in der Fraktion deren Reihen schließen.

Schon am Vortag hatte der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betont, er kenne niemanden in der Unionsfraktion, der eine Basis für ein drittes Hilfspaket für Griechenland sehe. Bosbach machte deutlich, dass er persönlich keinen weiteren Rettungspaketen zustimmen werde, "die dem Zweck dienen, Griechenland unter allen Umständen in der Euro-Zone zu halten - koste es, was es wolle."

Dagegen sehen weder CDU-Vize Thomas Strobl noch der Chef der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Hintze, Merkels Rückhalt in der eigenen Bundestagsfraktion schwinden. Und auch die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte der Funke-Mediengruppe, sie vertraue darauf, dass Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach dem Grundsatz verhandelten: "keine Leistung ohne Gegenleistung". Schröder: "Dabei haben sie mit Sicherheit die gesamte Fraktion hinter sich."

Doch die Zahl der Kritiker der Rettungspolitik hat zuletzt auch in Reihen des Koalitionspartners SPD zugenommen. Bei der Debatte im Februar hatte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider noch gesagt: "Es liegt an den Griechen selbst, wir reichen ihnen die Hand." Auch Gespräche über ein drittes Hilfspaket seien denkbar. Zuletzt sorgte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit der Aussage für Aufruhr auch im eigenen Lager, die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras haben mit dem "Nein" beim Referendum "letzte Brücken eingerissen" für einen Kompromiss zwischen Griechenland und Europa.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter riet Gabriel daraufhin, der Vizekanzler sollte "verbal lieber abrüsten". Hofreiter forderte für jeden Fall nächste Woche eine Bundestags-Sondersitzung sowie eine Umschuldung Griechenlands, bei der der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) den griechischen Schuldendienst bis 2020 übernehmen würde. Die Linke wiederum ist entschlossen, die Regierung Tsipras zu unterstützen, lehnt aber die Logik der Hilfsprogramme und große Teile der damit verbundenen Auflagen ab.

Das griechische Drama spitzt sich zu. Bröckelt am Ende die Unterstützung für Merkel aus dem eigenen Lager gar so sehr, dass sie die Vertrauensfrage stellen muss, wollte sie ihre Rettungspolitik nicht auf eine rot-rot-grün dominierte Mehrheit stützen? Bosbach glaubt das nicht: "Eine Abstimmung über ein etwaiges drittes Hilfspaket müsste die Kanzlerin nun wirklich nicht mit der Vertrauensfrage verbinden. Unser Vertrauen in sie ist groß, und das weiß sie auch ohne Abstimmung."

2200 deutsche Rentner leben in Griechenland

In Griechenland beziehen derzeit rund 2200 Deutsche eine Rente. Die jüngsten Rentenzahlungen wurden Ende Juni laut Bundessozialministerium ohne Probleme und pünktlich über die Bundesbank an die griechischen Banken angewiesen. Probleme bei der Auszahlung ließen sich bisher nicht verlässlich beurteilen. "Wir behalten das jedoch im Blick."

Insgesamt wurden Ende Juni demnach rund 92 000 Rentenzahlungen nach Griechenland geleistet. Überwiegend handele es sich um Zahlungen an Griechen, die in der Bundesrepublik Deutschland einen Rentenanspruch erarbeitet haben und diesen auf ihr griechisches Konto überwiesen bekommen. "Klar ist, dass alle Menschen in Griechenland vor den gleichen Schwierigkeiten stehen, Bargeld zu bekommen."

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