Aus für Betriebsrenten? Experten schlagen Alarm
BRÜSSEL · Experten schlagen wegen neuer Vorschläge der EU-Kommission Alarm
Sechs Millionen Berufstätige in Deutschland vertrauen auf die Betriebsrente. Doch die Zukunft der Pensionskassen ist düster. In dieser Woche marschieren drei EU-Kommissare auf, um die "Agenda für angemessenere, sichere und zukunftsfähige Renten" zu präsentieren.
Dabei werden Währungskommissar Olli Rehn und seine Kollegen Michel Barnier (Binnenmarkt) und Laszlo Andor (Soziales) die Axt auch an die betriebliche Altersvorsorge legen. "Modernisierte Überwachungsanforderungen einschließlich der Eigenkapitalanforderungen" seien ein "nützlicher Ausgangspunkt", heißt es in dem Papier, das dieser Zeitung vorliegt.
Wie jedes andere Finanzprodukt will Brüssel die Betriebsrente und ihre Träger den neuen Solvency-II-Eigenkapitalvorschriften unterwerfen. Die Pensionskassen müssten somit nicht mehr wie bisher fünf Prozent der Einlagesumme, sondern bis zu achtmal so viel zurücklegen.
Thomas Mann, CDU-Sozialexperte im Europäischen Parlament, sagt, was das bedeutet: "Der zusätzliche Kapitalbedarf läge bei 40 bis 50 Milliarden Euro. Das könnten die Kassen nicht verkraften."
Zwar hat Binnenmarkt-Kommissar Barnier Ende vergangener Woche signalisiert, er wolle "in keiner Weise etwas unternehmen, das den Bestand der betrieblichen Altersvorsorge unterminieren könnte." Er habe nie gesagt, dass die Pensionsfonds den Solvency-II-Regelungen unterworfen werden sollen.
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Zum einen, weil im Entwurfspapier der Kommission wörtlich genau diese Einbeziehung vorgeschlagen wurde. Zum zweiten sehen Sozialpolitiker auch noch weitere Bedrohungen. So will Brüssel das Eintrittsalter in die Pensionskasse von derzeit 25 auf 21 Jahre senken und einen Anspruch nicht erst nach fünf, sondern schon nach zwei Jahren garantieren.
Beides hat der Bundesrat vor sechs Jahren schon einmal strikt abgelehnt, weil die Länder "Mehrbelastungen in Höhe von bis zu 20 Prozent der bisherigen Kosten" auf die Arbeitgeber zukommen sahen. In seltener Einigkeit betonen Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften jetzt, dass sich an diesen Einwänden nichts geändert habe.
Auch der Einwand der Kommission, dass ein europäisch harmonisiertes System die Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der EU erleichtere und deshalb notwendig sei, lassen die Sozialpartner nicht gelten. Es sei zu befürchten, heißt es in einer Erklärung, dass "Arbeitgeber, die diese Anwartschaften auch bei einem Weggang des Arbeitnehmers vom Unternehmen garantieren müssten, unter diesen Rahmenbedingungen seltener Betriebsrenten versprechen."
Die Übertragbarkeit der betrieblichen Altersvorsorge wird in einer eigenen Richtlinie geregelt und untersteht - im Gegensatz zu den gesetzlichen Rentensystemen - der Verantwortung der EU-Kommission. Die will den Mitgliedstaaten allerdings zusätzlich "Beine machen", um sich auf die demografischen Herausforderungen einzustellen.
So wird den EU-Regierungen geraten, das Renteneintrittsalter bis zum Jahr 2050 um mindestens 2,5 Jahre gegenüber dem geplanten oder bereits beschlossenen Stand für 2030 heraufzusetzen. Für Deutschland würde das de facto die Rente mit 70 bedeuten. Und noch eine Änderung regt Brüssel an, die in Deutschland aber bereits vereinbart wurde: Künftig sollen Männer und Frauen gleich lang arbeiten.