Währungsunion Aus für Griechenland - das Pleite-Szenario

BRÜSSEL · Europa blickt am Sonntag auf Griechenland. Dann wählen die Bürger des pleitebedrohten Staats eine neue Regierung. Gewinnt das Linksbündnis Syriza, das den von den Europäern verordneten Sparkurs aufkündigen will, fürchten viele Griechenlands Abgang aus dem Euro-Währungsraum. Wie wahrscheinlich ist das - und was würde passieren?

 Euro-Münzen: Europa schaut auf Griechenland, wo am Sonntag gewählt wird.

Euro-Münzen: Europa schaut auf Griechenland, wo am Sonntag gewählt wird.

Foto: dpa

Wie ist die Lage?

Verfahren. Zwei Gruppen stehen sich derzeit vermeintlich unversöhnlich gegenüber. Die Europäer - allen voran Deutschland und die EU-Kommission - machen seit Wochen Druck auf die Griechen. Der Staat müsse sich an seine Spar- und Reform-Versprechen halten. Sonst gebe es keine europäischen Notkredite mehr.

Zugleich wollen die Europäer Griechenland im Euro-Raum halten. Auf der anderen Seite steht das Linksbündnis Syriza. Dessen Chef Alexis Tsipras will - wie die meisten Griechen - den Euro behalten. Er wehrt sich aber gegen den harten Sparkurs. Der habe Griechenland schließlich nicht vom Pleite-Abgrund weggeholt. Tsipras will neu mit den Europäern verhandeln, falls er gewinnt.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Griechen den Euro aufgeben?

Die Zukunft kann niemand voraussagen. Trotzdem versuchte sich die Rating-Agentur Standard & Poor's, die die Kreditwürdigkeit von Staaten beurteilt, jüngst an einer Wahrscheinlichkeitsrechnung: Die Chancen stünden eins zu drei, dass der Staat den Kreis der 17 Euro-Länder verlasse. Indes gibt es in Brüssel seit einiger Zeit zarte Zeichen, dass die Europäer möglicherweise doch bereit sind, mit den Griechen über die Spar- und Reform-Auflagen zu reden. Offiziell sagt das vor den Schicksalswahlen aber niemand.

Wie könnte ein Austritt ablaufen?

Auf jeden Fall nicht Knall auf Fall. Das würde eher ein längerer Prozess, falls Griechenland vom Euro-Nottopf abgetrennt und damit zahlungsunfähig wird, glauben Experten. Ob sie den Euro aufgeben, entscheiden allein die Griechen. Politiker hüten sich davor, offizielle Szenarien und Planspiele kundzutun. Da noch nie ein Land die Euro-Währungsunion seit ihrer Gründung 1999 verlassen hat, gibt es für einen Austritt bisher keine Anleitung.

Derzeit äußern sich lediglich Experten, was in Griechenland passieren könnte. Zunächst einmal dürften Banken geschlossen und Höchstgrenzen für Abhebungen an Geldautomaten festgelegt werden. Das soll verhindern, dass nicht noch mehr Griechen ihre Euro abheben. Führt Griechenland die Drachme wieder ein, müsste die im Vergleich zum Euro stark an Wert verlieren. Mit dieser Abwertung würde die griechische Wirtschaft bei den Arbeitskosten wettbewerbsfähiger.

Das neue Geld müsste aber erst gedruckt werden. Laut dem deutschen Gelddruck-Unternehmen Giesecke & Devrient wären mindestens sechs Monate nötig, um das Design zu entwickeln oder das spezielle Banknoten-Papier herzustellen. Möglicherweise behält Griechenland bei seiner Pleite dank eines Kniffs den Euro.

Die Regierung könnte eine Parallel-Währung einführen und so im Euro-Raum bleiben. Das Parallel-Geld könnte zum Beispiel aus Schuldscheinen des Staats bestehen, mit dem Menschen und Unternehmen in Griechenland einkaufen. Nur die Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen exportieren, kämen noch an Euro.

Was passiert, falls die Griechen zur Drachme zurückkehren?

Auch hier gibt es eine Bandbreite von Mutmaßungen. Die optimistischste lautet: Der Euro-Raum würde einen Abgang der Griechen mittlerweile verkraften. Ein möglicher Austritt galt noch im Mai 2010 als Tabuthema. Damals mussten die Europäer Griechenland mit Notkrediten hastig vor der Pleite retten.

Doch nun, so lautet die Argumentation, gebe es einen milliardenschweren Rettungsfonds für klamme Euro-Länder. Der diene als "Brandmauer" im Euro-Raum und minimiere die Ansteckungsgefahr, die von Griechenland ausgehe. Zudem bemühten sich die Europäer in den vorigen Monaten, Griechenland zum Sonderfall im Euro-Raum zu erklären und den Staat so von den anderen Ländern abzusondern.

So sollten die Finanzmärkte überzeugt werden, dass Griechenlands Misere eine Ausnahme ist. Diese optimistischere Sicht torpedieren derzeit jedoch die Sorgen um die großen Euro-Staaten Spanien und Italien.

Was sagen Pessimisten?

Gäbe Griechenland den Euro tatsächlich auf, brächte das die Euro-Zone ins Wanken und erhöhe die Wahrscheinlichkeit ihres Kollapses, glaubt der Argentinier Mario Blejer. Der Ex-Notenbanker kommt aus einem Land, das schmerzvolle Erfahrung mit Staatspleiten hat. Der Euro sei kein wirtschaftliches, sondern ein politisches Projekt, betont Blejer: "Er verkörpert die europäische Integration."

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