Datenschützer sind besorgt Auskunftsverweigerer

BERLIN/BRÜSSEL · "Es gehört schon viel Optimismus dazu, als Datenschützer nicht zu resignieren", sagt Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Datenschutz. Auslöser für diesen pessimistischen Ausblick sind der US-Geheimdienst NSA und dessen angebliche umfassende Ausspähversuche auf deutschem Boden. Schaar hatte sich unmittelbar nach Bekanntwerden der Affäre schriftlich mit bohrenden Fragen an die betroffenen Bundesministerien gewandt.

Vom Verteidigungsministerium erhielt er zunächst eine ausweichende Antwort, die später von Informationen ergänzt wurde, die auf eine "gewisse Entwarnung" hindeuteten, was die Rolle des Bundesverteidigungsministeriums und des Militärischen Abschirmdienstes angeht. Im völligen Kontrast dazu das Verhalten des Bundesinnenministeriums, das jegliche Auskunft verweigerte. Die Informationszurückhaltung gelte auch beim Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz. Schaar monierte ganz offiziell die Verletzung des Kooperationsgebots zwischen Bundesregierung und Datenschutzbeauftragtem. Das Bundesinnenministerium wies gegenüber dieser Zeitung die Vorwürfe, das Ministerium behindere die Klärung des Sachverhaltes, zurück. Der Datenschutzbeauftragte habe Fragen gestellt, die außerhalb seines Kompetenzbereiches lägen.

Für den Datenschutzbeauftragten ist klar: Die Aktivitäten unter anderem des US-amerikanischen und des britischen Geheimdienstes laufen auf eine "globale und tendenziell unbegrenzte Überwachung der Internet-Kommunikation" hinaus. Erschwerend käme hinzu, dass große Telekommunikationsfirmen und Internet-Unternehmen in die Geheimdienstaktionen eingebunden waren.

Der Bundesbeauftragte und die Vorsitzende der Bund/LänderKonferenz der Datenschutzbeauftragten, Imke Sommer, stellten einen ganzen Forderungskatalog auf: Bund und Länder sollten die Kontrolle der Nachrichtendienste stärken. Nationales, europäisches und internationales Recht müssten geändert werden. Gestartet werden müssten Programme, die das "Grundrecht auf Vertraulichkeit" sicherstellen. Es müsse auch ein Programm für die Integrität von informationstechnischen Systemen geben. Das Fluggast-Abkommen, das den US-Sicherheitsbehörden einen tiefen Einblick in die Biografie jedes Einreisenden gestattet, müsse auf den Prüfstand. Im EU-Rahmen müsse die Beachtung der Europäischen Grundrechtecharta sichergestellt sein.

Auch in Brüssel sorgt die Spähaffäre für Fassungslosigkeit. "Ich habe mir das Ausmaß nicht so dramatisch vorgestellt", gab ein Abgeordneter des Europäischen Parlamentes zu. "Wir müssen beim Datenschutz neu nachdenken", zeigte sich ein anderer betroffen. Als gestern Nachmittag internationale Experten zu einer Anhörung des Innenausschusses in der Brüsseler Volksvertretung zusammenkamen, wurde vielen das Ausmaß der Affäre erst wirklich bewusst.

Aufklärung, das wissen auch die Volksvertreter, ist zu wenig. Von ihnen werden konkrete Schritte erwartet. Jan Philipp Albrecht, Berichterstatter für die neue Datenschutz-Grundverordnung, hat auch schon eine Vorstellung davon, was getan werden muss: "Für Geheimdienste müssen künftig die gleichen Regeln wie für Facebook gelten." Soll heißen: Unternehmen, die in Europa tätig sind, müssen sich nach den hier geltenden Gesetzen richten. Das würde den Export von EU-Daten an ausländische Dienste unmöglich machen.

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