Entwicklungshilfe 29-Jährige arbeitet für Bonner Hilfsorganisation in Syrien

Bonn · Die syrische Entwicklungshelferin Mirna Abboud ist für die Bonner Hilfsorganisation „Help - Hilfe zur Sebsthilfe“ im Nordosten ihres Heimatlandes tätig. Sie berichtet über die Not der Menschen, den schwierigen Wiederaufbau und eine mögliche neue Fluchtwelle.

 Mirna Abboud (rechts) mit einer älteren Frau in einem Lager im Nordosten ihrer syrischen Heimat.

Mirna Abboud (rechts) mit einer älteren Frau in einem Lager im Nordosten ihrer syrischen Heimat.

Foto: „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“

Mirna Abboud hat in den vergangenen Tagen viele Freunde aus jenen Zeiten getroffen, als in ihrer syrischen Heimat noch Frieden und Wohlstand herrschten. Die 29-Jährige aus Damaskus arbeitet für die Bonner Hilfsorganisation „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“ in der Kurdenregion im Nordosten Syriens und ist bis Ende Februar zu Gast am Rhein. „Ich bin sehr stolz, dass viele meiner Freunde hier in Deutschland etwas erreicht haben“, sagt Abboud im Gespräch mit dem General-Anzeiger. „Viele studieren oder arbeiten hier, haben die Sprache gelernt und sind gut integriert“, auch dank der „großen deutschen Hilfe“. Sie baut darauf, dass viele von ihnen irgendwann nach Hause zurückkehren, um „eine ganz entscheidende Rolle beim Wiederaufbau spielen zu können“.

Im März geht der Krieg in Syrien ins zehnte Jahr – und immer noch ist nicht abzusehen, wann er enden könnte. Derzeit sieht es eher danach aus, dass es in der nordwestlichen Provinz Idlib zur Entscheidungsschlacht zwischen der syrischen Armee von Diktator Baschar al-Assad und der Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) kommt, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahe steht.

Rund drei Millionen Menschen leben dort, Hunderttausende sind Angriffen der syrischen Armee und der russischen Verbündeten  ausgesetzt – doch an Flucht über die nahe türkische Grenze ist kaum zu denken, denn Präsident Recep Tayyip Erdogan will über die 3,6 Millionen hinaus keine weiteren Flüchtlinge ins Land lassen. „Die Menschen in Idlib brauchen dringend Hilfe“, sagt Abboud. Die internationale Gemeinschaft müsse dort im Sinne der Menschen eingreifen.

Mit Akuthilfe beschäftigt

Auch wenn die Kampfhandlungen weitgehend auf Idlib beschränkt sind, ist die Lage für die meisten der rund 17 Millionen Einwohner Syriens sehr problematisch. 13,5 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, sagt die Helferin. Dabei sei es doch eigentlich nötig, endlich mit dem Wiederaufbau anzufangen. Und zwar nach dem Help-Motto, mehr Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: also die Wasserversorgung wiederherzustellen, Wohnungen instandzusetzen und auch wieder für Bildung zu sorgen. Doch derzeit sei man noch viel mehr mit Akuthilfe beschäftigt. Dabei habe die langfristige Abhängigkeit von der humanitären Hilfe auch etwas Lähmendes. „Ziel muss sein, dass die Menschen ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen“, sagt Abboud.

Wo liegen die größten Schwierigkeiten? Die internationalen Sanktionen treffen in erster Linie die Bevölkerung, meint Abboud. „Deshalb müssten sie überarbeitet werden“, fügt sie hinzu. Von den Strafmaßnahmen der EU sind ungefähr 270 Personen und rund 70 Unternehmen betroffen. Sie beinhalten neben Einreiseverboten auch Kontosperrungen und Handelsbeschränkungen. Zudem, so Abboud, verfalle die Währung immer mehr. In den vergangenen vier Monaten verschlechterte sich der Wechselkurs des syrischen Pfunds von 500 zu einem US-Dollar auf 1000 zu einem Dollar.

All das führt dazu, dass die Menschen „immer weniger kaufen können, zum Beispiel Lebensmittel“, wie Abboud sagt. Gehälter und Einkommen gingen zurück. Immer mehr Bevölkerungsschichten verarmten. „Die Mittelschicht existiert so gut wie nicht mehr.“ Das führe zu viel Kriminalität, weil die Menschen keinen Ausweg mehr aus ihrer trostlosen Lage fänden.

Demonstration gegen Assad

Trotz der Überwachung durch das Regime ist es in Al-Suwaida im Süden des Landes jüngst sogar wieder zu Protesten gegen Assad gekommen. Menschen zogen mit dem Sprechchor „Wir wollen leben“ durch die Straßen. Befürchtet wird nun, dass das Regime zurückschlägt – wie zu Beginn des Aufstands 2011, der zum Bürgerkrieg wurde. Und dann könnte es auch zu einer neuen Fluchtwelle kommen. „Wenn man seine Familie nicht mehr versorgen kann, dann ist es nicht mehr weit, bis man geht“, sagt Mirna Abboud. Doch die junge Frau will ihre Hoffnung nicht aufgeben, dass Syrien wieder zu einem stabilen Staat wird, in dem die Menschen sicher und ohne Sorge um die Zukunft leben können – wie damals, als sie aufgewachsen ist. Doch auf eine Zeit, wann es so weit sein könnte, will sie sich nicht festlegen.

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