Auf der Suche nach Heilung 6000 Experten bei Aids-Konferenz in Paris

Paris · Auf der Aids-Konferenz in Paris diskutieren Fachleute aus der ganzen Welt über Impf- und Behandlungsmethoden. Auch im vergangenen Jahr starb rund eine Million Menschen an der Immunschwächekrankheit.

 Medikamentenausgabe in einer Aids-Station im Township Mushili bei Ndola, Sambia.

Medikamentenausgabe in einer Aids-Station im Township Mushili bei Ndola, Sambia.

Foto: epd

Jede 17. Sekunde passiert es: So oft infiziert sich im Schnitt ein Mensch irgendwo auf der Welt mit HIV – und in zwei von drei Fällen lebt er in Afrika. Vor mehr als 30 Jahren wurde das gefährliche Virus entdeckt, das seither 36,7 Millionen Menschen hinweggerafft hat. Fast ebenso lange bemühen sich Forscher und Wissenschaftler, es in den Griff zu bekommen – doch trotz beachtlicher Fortschritte ist das noch nicht gelungen.

Von Sonntag bis Mittwoch treffen sich rund 6000 Experten in Paris zu einem internationalen Aids-Kongress, um sich über Behandlungs- und Impfmethoden, das Problem der Resistenzen und den Zugang zu Medikamenten auszutauschen, der bislang nur für knapp die Hälfte aller Infizierten gewährleistet ist. Zwar hat sich die Zahl der behandelten Patienten seit 2010 fast verdreifacht auf 19,5 Millionen. Dennoch starb auch im vergangenen Jahr rund eine Million Menschen an der Immunschwächekrankheit, während sich 1,8 Millionen neu infizierten.

Experten appellieren an Trump

Zum Auftakt der Tagung appellierten die Experten an US-Präsident Donald Trump, auf die angekündigten Budgetkürzungen zu verzichten. Mit 4,2 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr sind die USA bislang der größte Beitragszahler im Kampf gegen Aids. Einsparungen „würden Leben kosten“, warnte die Präsidentin der Internationalen Aids-Gesellschaft, Linda Gail Bekker. Am Montag kam es auch zu einer Demonstration von Aktivisten, um Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron vor Kürzungen zu warnen.

Die heutige Aids-Forschung konzentriere sich auf mehrere Ziele, sagt Michaela Müller-Trutwin, deutsche Professorin am Institut Pasteur in Paris: „Einerseits wird an einem Impfstoff gegen das HI-Virus geforscht, um Neuinfektionen zu verhindern. Andererseits arbeitet man an Möglichkeiten der Heilung. Das würde für die Erkrankten einen riesigen Fortschritt bedeuten. Zugleich wäre es sozioökonomisch für jedes Land eine Erleichterung, wenn man nicht mehr für die teuren Medikamente aufkommen müsste.“ Auch wenn das Ziel, Aids zu besiegen, noch weit entfernt scheine, gebe es ermutigende Einzelerfolge, die zeigten, dass das Verschwinden der HI-Viren aus dem Blut theoretisch möglich sei.

Medikamente effizient

Dabei seien die eingesetzten antiretroviralen Medikamente inzwischen sehr effizient und fast ohne Nebenwirkungen, sagt auch der Co-Präsident der Aids-Konferenz, Jean-François Delfraissy: „Sie haben erlaubt, HIV in eine chronische Krankheit zu verwandeln. In Europa und Nordamerika ermöglichen sie den HIV-infizierten Menschen eine Lebenserwartung, die jener der allgemeinen Bevölkerung sehr nahe kommt.“

Noch muss ein Patient allerdings täglich Tabletten nehmen – die Forschung sucht auch hier nach Erleichterung. „Wer jeden Tag eine Pille einnimmt, wird ständig daran erinnert, dass er infiziert ist, und muss das auch vor anderen rechtfertigen“, sagt die Forscherin Müller-Trutwin. „In den armen Ländern ist es zudem schwierig, die Einnahme ein Leben lang aufrechtzuerhalten.“ Oft mangele es dort an Infrastruktur: „Ich habe mit Frauen in Afrika gesprochen, die einen ganzen Tag verlieren, um an Medikamente zu gelangen. Das bedeutet einen Tag, an dem sie nichts verdienen.“

Lösung rückt näher

Doch eine Lösung für dieses Problem rückt offenbar näher. Einer am Montag vorgestellten Studie zufolge kann eine Monatsspritze das HI-Virus im Körper ebenso gut kontrollieren wie die bisher übliche tägliche Einnahme von Tabletten. Das hat ein internationales Forscherteam mit deutscher Beteiligung auf der Konferenz berichtet. Sollten – bereits laufende – Zulassungsstudien die im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlichten Ergebnisse bestätigen, könnte erstmals eine Injektionstherapie gegen HIV auf den Markt kommen, die nur alle vier Wochen nötig wäre. Unabhängige Experten sehen einen Meilenstein in der Geschichte der HIV-Therapie.

Wer frühzeitig die Behandlung beginnt, verringert die Schädigung des Immunsystems sowie das Risiko der Ansteckung – und darum sei es so wichtig, sich testen zu lassen, sagt Müller-Trutwin. Schätzungsweise ein Drittel der Infizierten in Frankreich weiß aber nichts davon. ga/dpa

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