Kommentar zu Donald Trump Abgestumpft

Meinung | Washington · Ein großer Teil der US-Amerikaner, der noch keine Hornhaut gegen die Trumpsche Endlosschleife aus Beleidigungen, Verdrehungen und Lügen gebildet hat, ist nach zehn Monaten Amtszeit ausgelaugt wie ein Triathlet im Ziel. Doch von einem demokratischen Revival kann keine Rede sein.

Vor einem Jahr begann die Achterbahnfahrt, von der sich Amerika und die Welt so schnell nicht erholen werden. Mit der Wahl des in Regierungsangelegenheiten völlig unerfahrenen Unternehmers Donald Trump hat die Supermacht ein Experiment begonnen, das allmählich an die Reserven geht.

Trump ist anders als die wohl insgeheim von ihm bewunderten Putins, Dutertes und Al-Sisis ein Möchtegern-Autoritärer. Weil ihm Konzentrationsvermögen, Disziplin und Strategie fehlen, um wirklich der starke Mann zu werden, für den er sich hält. Trotzdem ist ein großer Teil des Landes, der noch keine Hornhaut gegen die Trumpsche Endlosschleife aus Beleidigungen, Verdrehungen und Lügen gebildet hat, nach zehn Monaten Amtszeit, die einem wie Jahre vorkommen, ausgelaugt wie Triathleten im Ziel.

Einzelne infame Sätze des Präsidenten, wie der, dass er seinen Gegnern ach so gerne die Bundespolizei FBI und den Justizminister auf den Hals hetzen würde, woran ihn nur Gewaltenteilung und politische Korrektheit hinderten, wären in einem gesunden gesellschaftlichen Klima Anlass für Rücktritte. Unter Trump sind sie Normalzustand. Das stumpft gefährlich ab. Welche Langzeitwirkungen der Gewöhnungseffekt hat, bleibt abzuwarten. Aber man darf schon jetzt nicht ignorieren, dass dem notorischen Grenzüberschreiter Trump etwas gelungen ist, was die Demokratie in ihrem Innersten aushöhlen kann.

Niederlagen, gebrochene Versprechen und Ungeheuerlichkeiten haben keine Konsequenzen. Mit jedem Skandal, selbst solchen, die Trump allmählich in den Bereich einer Straftat rücken (Russland-Affäre), wird die Solidarität seiner Kern-Anhänger noch fester. Für sie trägt nicht der Präsident in diesem von unverantwortlichen Medienriesen wie Fox News am Leben gehaltenen Paralleluniversum die Verantwortung für die gescheiterte Gesundheitsreform, das fehlende Infrastruktur-Konjunkturpaket oder die ungebaute Mauer zu Mexiko. Sondern ein in Symbiose mit dem „korrupten Sumpf“ von Washington lebender Kongress. Dort haben, zur Erinnerung, die Republikaner das alleinige Sagen.

Obwohl nach solider Vorarbeit Obamas die US-Wirtschaft beständig floriert, die Arbeitslosigkeit historisch gering und das Vertrauen der Konsumenten so stabil ist wie lange nicht, hat Trump die mit Abstand schlechtesten Umfragewerte seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Vorboten für einen Wachwechsel bei den Zwischenwahlen 2018 sind das trotzdem nicht.

Denn von einem demokratischen Revival kann keine Rede sein. Die nach dem Clinton-Desaster in Trümmern liegende Partei hat inhaltlich und personell zu wenig zu bieten. Von der Hoffnung darauf, dass Trump sich selber ein Bein stellt, sollte sich darum heute niemand leiten lassen. Er könnte 2020 sogar wiedergewählt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort