Politiker in der Verantwortung Amnesty warnt vor der "Dämonisierung" von Minderheiten
Berlin · Ob Trump, Xi, Putin oder Duterte: Amnesty International wirft in ihrem Jahresbericht führenden Politikern weltweit vor, Angst und Hass zu schüren - mit verheerender Wirkung für die Menschenrechtslage.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International macht die hasserfüllte Rhetorik führender Politiker für die zunehmende Diskriminierung von Minderheiten weltweit verantwortlich.
"Millionen Menschen auf der ganzen Welt hatten 2017 unter den bitteren Folgen einer Politik zu leiden, die zunehmend auf Dämonisierung setzt", heißt es in dem Jahresbericht der bedeutendsten Menschenrechtsorganisation weltweit.
Ihr Vorsitzender Salil Shetty prangerte bei der Veröffentlichung des Berichts konkret die Staatschefs von Ägypten, Venezuela und der Philippinen, aber auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den chinesischen Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Donald Trump an.
"Das Schreckgespenst von Angst und Hass macht sich in der Weltpolitik breit und es gibt wenige Regierungen, die sich in diesen unruhigen Zeiten für Menschenrechte einsetzen", beklagte Shetty. Im vergangenen Jahr hätten "prominente Führungsfiguren eine albtraumhafte Vision einer von Hass und Angst verblendeten Gesellschaft" verbreitet. Der Amnesty-Chef hob aber auch positiv hervor, dass die Proteste gegen Ausgrenzungstendenzen zunehmen würden.
Als gravierendstes Beispiel für konkrete Auswirkungen von Hass-Rhetorik im vergangenen Jahr nennt Amnesty die Vertreibung Hunderttausender muslimischer Rohingya aus Myanmar. Auf die Stigmatisierung der Minderheit sei das gewaltsame Vorgehen des Militärs gefolgt. Rund 700 000 Roningya flüchteten ins Nachbarland Bangladesch.
Der Jahresbericht beleuchtet die Menschenrechtslage in 159 Ländern. Für die Vorstellung wählte die Organisation bewusst Washington aus. Damit wollte Amnesty auch ein Zeichen gegen die Politik Trumps setzen. "Trumps Rückschritte in Menschenrechtsfragen sind ein gefährlicher Präzedenzfall für andere Regierungen, die folgen könnten", sagte Shetty. Er nannte den Anfang vergangenen Jahres von Trump verhängten Einreisestopp für Menschen aus muslimisch geprägten Länder.
"Wir müssen beobachten, dass einzelne Regierungen und politische Gruppierungen versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen", sagte auch der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus Beeko. Er forderte die Bundesregierung auf, sich stärker zu engagieren. "Die neue Bundesregierung kann eine deutlich aktivere Rolle einnehmen und verhindern helfen, dass die Welt zurück in Zeiten fällt, in denen nur das Recht des Stärkeren gilt", sagte er. Gerade Deutschland sei angesichts seiner besonderen politischen und wirtschaftlichen Rolle und seiner Kandidatur für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat 2019 besonders gefordert, sich für die Stärkung der Menschenrechte einzusetzen.
Auch die Situation von Flüchtlingen spielt in dem rund 400 Seiten starken Bericht wieder eine große Rolle. Fast 3000 Menschen seien bei dem Versuch, über das Mittelmeer in die Europäische Union zu flüchten, ums Leben gekommen. Innerhalb des Irak seien 2017 mehr als drei Millionen Menschen auf der Flucht gewesen, mehr als 640 000 Menschen seien aus dem Südsudan geflüchtet. Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs in Afghanistan leben inzwischen 2,6 Millionen Flüchtlinge aus dem zentralasiatischen Land in 70 anderen Länder weltweit. Die politisch Verantwortlichen der wohlhabenden Länder würden nach wie vor "mit einer Mischung aus Ausflüchten und kaltherziger Abgebrühtheit" auf das Flüchtlingsthema reagieren.
Zu den Ländern, die Amnesty im vergangenen Jahr am meisten beschäftigte, zählte die Türkei. Die Organisation wies darauf hin, dass auch nach der Freilassung des deutschtürkischen Journalisten Deniz Yücel noch mehr als 100 Journalisten in der Türkei in Haft sitzen und mehr als 180 Medienhäuser seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 geschlossen worden seien.
In diesem Jahr jährt sich die Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen zum 70. Mal. In dem Jahresbericht heißt es, dass bis heute die Menschenrechte alles andere als selbstverständlich seien. "Der Kampf um die Menschenrechte wird nie ganz abgeschlossen sein - an keinem Ort und zu keiner Zeit."