Scharfe Kritik von Amnesty Anführer von Demokratiebewegung in Hongkong vor Gericht

Hongkong · Vor vier Jahren legten prodemokratische Demonstrationen wochenlang Teile der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong lahm. Seither hat Peking den Griff verstärkt. Kommen die Anführer jetzt in Haft?

Anführer der "Occupy Central"-Bewegung, Tanya Chan (r-l), Chan Kin Man, Benny Tai, Chu Yiu Ming und Lee Wing Tat vor dem Gericht in Hongkong.

Foto: Vincent Yu/AP

Im größten Prozess gegen Teilnehmer der "Regenschirm"-Bewegung in Hongkong stehen neun führende Aktivisten der prodemokratischen Demonstrationen im Jahr 2014 vor Gericht.

Unter den Angeklagten sind der Juradozent Benny Tai, der Sozialwissenschaftler Chan Kin-Man und der Baptistenpfarrer Chu Yiu-Ming, die damals die Bewegung "Occupy Central" gegründet und die Besetzung des Geschäftsdistrikts der Millionenmetropole geplant hatten.

Vor Beginn des Prozesses am Montag riefen die drei Aktivisten mit Hunderten Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude Sprechchöre wie "Wir wollen wahre Demokratie". Dem Trio droht wegen Anstiftung und Verschwörung zur Störung der öffentlichen Ordnung bis zu sieben Jahre Haft. Neben ihnen stehen sechs andere Aktivisten vor Gericht, darunter die Abgeordneten Tanya Chan und Shiu Ka-chun.

"Ich habe Vertrauen, dass die Gerichte in Hongkong noch unabhängig und gerecht sind. Aber ich habe mich auf das Schlimmste vorbereitet", sagte Tai der Deutschen Presse-Agentur. Als sie damals zivilen Ungehorsam vorgeschlagen hätten, seien sie darauf vorbereitet gewesen, vor Gericht zu kommen. Er äußerte sich pessimistisch über die Entwicklung in Hongkong, das immer "autoritärer" werde.

Der Prozess stößt auf scharfe Kritik von internationalen Menschenrechtsgruppen wie Amnesty, die vor "einschüchternden Auswirkungen" auf die freiheitliche Gesellschaft der früheren britischen Kronkolonie warnen. Seit der Rückgabe an China 1997 wird Hongkong als chinesische Sonderverwaltungsregion in ihrem eigenen Territorium autonom regiert, doch hat Peking den Griff verstärkt.

Bei den Protesten 2014, die Teile der asiatischen Finanz- und Wirtschaftsmetropole 79 Tage lang lahmlegten, forderten die Demonstranten freies Wahlrecht für die sieben Millionen Hongkonger. Die Bewegung erhielt ihren Namen von den Regenschirmen, mit denen sich Teilnehmer gegen Sonne und Regen, aber auch gegen den Einsatz von Tränengas durch die Polizei schützten.

Warum es vier Jahre gedauert hat, um die Aktivisten vor Gericht zu stellen, erklären die Justizbehörden mit der "Komplexität des Falles und der Menge an Beweisen, die überprüft werden mussten". Zum Prozessauftakt beteuerten alle neun ihre Unschuld, während die Regierung von "unangemessenen" Aktionen sprach, die den Verkehr schwer gestört und die Rechte anderer beeinträchtigt hätten.

"Es ist ein Wendepunkt, an dem die Welt den Zustand der Rechtsstaatlichkeit (in Hongkong) sehen kann", sagte der Studentenführer der Demokratiebewegung, Joshua Wong. Jetzt werde klar, "dass sich die politische Verfolgung nicht nur gegen junge Leute richtet, sondern auch Professoren, Anwälte, Abgeordnete oder Aktivisten mit unterschiedlichem Hintergrund einschließt". Es wurde erwartet, dass der Prozess vier Wochen dauern dürfte.