Furcht vor Trumps Launen Anspannung vor Nato-Gipfel in Brüssel

BRÜSSEL · Die Nato hofft bei ihrem Gipfel auf einen US-Präsidenten, der nicht wie vor wenigen Wochen beim G7-Treffen die Reihen sprengt. Denn die Nato hat keinen Plan B.

 Donald Trump unmittelbar vor seinem Abflug zum Nato-Gipfel nach Brüssel.

Donald Trump unmittelbar vor seinem Abflug zum Nato-Gipfel nach Brüssel.

Foto: dpa

Sie haben keinen Plan B. Sie hoffen nur, dass es gut geht, dass keine Präsidenten-Laune diesen Nato-Gipfel verhagelt. Es ist alles vorbereitet für das Treffen der Nato-Staats- und Regierungschefs an diesem Mittwoch und Donnerstag in Brüssel. Die Papiere liegen vor, penibel ausverhandelt. 34 Seiten Abschlusskommuniqué zum Arbeitsprogramm der Allianz für die kommenden Jahre, zwei Seiten Erklärung zur transatlantischen Sicherheit, Beschlussvorlage für eine Nato-Trainingsmission in Irak im Kampf gegen den Terror, Bericht zur Lage in Afghanistan.

Was nicht auf dem Tisch liegt: eine Prognose zur Stimmung von Donald Trump. Es ist der zweite Gipfel seit Trump US-Präsident ist. Unter anderem will die Nato neben der Bekräftigung des Zwei-Prozent-Ziels auch eine „4 x 30“-Initiative für eine schnellere Krisenreaktion beschließen. Im Jahr 2020 sollen 30 Bataillone zu Land, 30 Kriegsschiffe zur See und 30 Flugzeugstaffeln innerhalb von 30 Tagen einsatzfähig sein.

Die Angst vor einer Laune Trumps ist nicht völlig unbegründet. Die Alliierten haben nicht vergessen, wie der US-Präsident Nummer 45 vor einem Jahr an selber Stelle bei der Einweihung eines Denkmals am Eingang zum neuen Hauptquartier eine ebenso fulminante wie erschreckende Rede hielt. Statt sich vor dem symbolischen Bild eines Stücks der Berliner Mauer und eines Trümmerteils des World Trade Centers vom 11. September 2001 zum Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrages, also zum Beistandspakt der Nato, zu bekennen, las Trump den Partnern die Leviten. Man konnte unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Staunen zusehen, als diese sich wie eine Schulklasse der 28 übrigen Bündnispartner von Trump sagen lassen mussten, die säumigen Zahler vor allem aus Europa schuldeten „eine enorme Menge Geld“.

Mahnungen an Nato-Partner

Schon vor diesem zweiten Nato-Gipfel mit Trump bangen sie in Berlin, Deutschland könnte bevorzugtes Ziel des US-Präsidenten werden. Mit unverhohlener Schärfe schrieb er wenige Wochen vor diesem Gipfeltreffen einen Mahnbrief an Merkel. Die Wortwahl lässt keine Zweifel am Unmut Trumps über Deutschland. Er beklagt, in den USA gebe es „eine wachsende Frustration darüber, dass einige der Bündnispartner ihren Versprechungen nicht nachgekommen sind“. Versprechungen – damit ist die Verabredung des Nato-Gipfels von 2014 in Wales gemeint, wonach alle Bündnispartner ihre Verteidigungsetats bis 2024 auf zwei Prozent des jeweiligen nationalen Bruttoinlandsproduktes erhöhen sollen. Deutschland stellt nun 1,5 Prozent bis 2024 in Aussicht. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der es irgendwie geschafft hat, bei Trump gut gelitten zu sein, springt dem US-Präsidenten bei: „1,5 Prozent sind nicht zwei Prozent.“ Bei seiner Pressekonferenz am Dienstag in Brüssel, einen Tag vor Beginn der Konferenz, stellte Stoltenberg erneut klar: „Ich erwarte, dass Deutschland noch mehr tut.“

So ist offen, ob Trump sich am Rande des Gipfels Zeit für ein Gespräch mit Merkel nehmen wird. Nur 48 Stunden vor dem offiziellen Gipfelauftakt schickte er nochmals eine Mahnung an Deutschland und andere europäische Nato-Partner – über sein Lieblingsmedium Twitter. „Obwohl diese Länder ihre Beiträge erhöht haben, seit ich ins Amt gekommen bin, müssen sie viel mehr machen. Deutschland ist bei einem Prozent, die USA sind bei vier Prozent, und die Nato nützt Europa mehr als den USA.“

In Berlin haben sie sicherheitshalber nochmals aufgelistet, was Deutschland in der Nato alles leistet: zweitgrößter Truppensteller, zweitgrößter Beitragszahler und jetzt auch noch ein neues Nato-Hauptquartier in Ulm für die schnelle Verlegung von Nato-Truppen durch Europa. Bis 2024 will Deutschland im Vergleich mit 2014 seinen Verteidigungsetat um 80 Prozent erhöhen. Es wird Trump nicht genügen.

Vielleicht setzt der US-Präsident auch bei diesem Nato-Gipfel – wie vor wenigen Wochen bei G7 – ein nächstes Ausrufezeichen. Dort soll er gelästert haben, die Nato sei „so schlimm wie die Nafta“, die dem US-Präsidenten verhasste Nordamerikanische Freihandelszone. Donnerschlag dann bei der Abreise, als er aus dem Flugzeug heraus seine zunächst gegebene Unterstützung für die Abschlusserklärung trotzig kassierte. Einen solchen Affront möchten sie bei der Nato tunlichst vermeiden. Wie gesagt: Sie haben keinen Plan B.

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