Wahl im Südkaukasus Armenien setzt auf seinen Hoffnungsträger Paschinjan

Eriwan · Er will seine Macht ausbauen und Reformen durchsetzen: Armeniens Ministerpräsident Paschinjan dürfte als Sieger aus der Parlamentswahl hervorgehen. Wird ihm ein Wandel gelingen?

 Das kleine und arme Armenien mit knapp drei Millionen Einwohnern befindet sich in politisch instabiler Lage.

Das kleine und arme Armenien mit knapp drei Millionen Einwohnern befindet sich in politisch instabiler Lage.

Foto: Christian Thiele

Ein armes Land voller Hoffnungen und Euphorie: Armenien hat gut ein halbes Jahr nach den friedlichen Protesten ein neues Parlament gewählt.

"Wir haben unser Ziel bereits erreicht. Dies sind wirklich freie, transparente und demokratische Wahlen", sagte Ministerpräsident Nikol Paschinjan am Sonntag vor einem Wahllokal in der Hauptstadt Eriwan. Hauptziel sei gewesen, Demokratie in der Ex-Sowjetrepublik zu erreichen. "Das ist uns gelungen." Experten warnen jedoch, sollte der Regierungschef seine versprochenen Reformen nicht umsetzen, könnte es erneut Proteste geben.

An einem Sieg Paschinjans zweifelte am Wahltag niemand. Umfragen sehen seine Bewegung "Mein Schritt" bei 70 Prozent. Wie die etwa 2,5 Millionen Wahlberechtigten abgestimmt haben, soll in der Nacht zum Montag vorliegen. Der Regierungschef hatte Mitte Oktober seinen Rücktritt eingereicht und so den Weg für die Wahl geebnet. Der 43-Jährige will damit mehr Macht im Parlament bekommen. Bislang haben dort die Republikaner in der Opposition die Mehrheit.

Der in der Bevölkerung überaus beliebte Ministerpräsident und frühere Journalist hatte im Frühjahr die wochenlangen Straßenproteste gegen Korruption und Vetternwirtschaft in Armenien angeführt. Durch die sogenannte Samtene Revolution war er im Mai an die Macht gekommen. Nun verspricht er ein besseres Armenien, will die Wirtschaft ankurbeln und gegen korrupte Strukturen vorgehen.

"Für manche wirkt er wie ein Messias", sagte Gevorg Poghosjan von der Akademie der Wissenschaften in Eriwan. "Das ist schlecht für Paschinjan, denn die Erwartungen an die neue Macht sind sehr hoch." Viele Armenier hofften, dass sich etwas ändert. "Sie werden nun auf Resultate warten - vielleicht ein halbes Jahr, vielleicht ein Jahr", sagte Poghosjan. "Danach werden sie Paschinjan fragen: "Was ist aus deinen versprochenen Veränderungen geworden?""

"Wir geben ihm die Zeit", sagte die Wählerin Diana Ghasarjan in Eriwan. "Die Wahl ist der finale Schritt, um die Revolution zu vollenden. Wir haben lange dafür gekämpft." Ein junger Mann findet: "Wir hoffen, dass Armenien besser wird." Die 53-jährige Astzik Kochocsjan meinte: "Paschinjan ist in meinem Herzen." Zu wählen sei für sie eine Ehrensache gewesen.

"Wir haben eine neue politische Lage im Land", analysierte Experte Poghosjan. Es gebe eine "wirklich starke Partei". Jeder wisse, dass Paschinjans Bewegung die Mehrheit im Parlament gewinnen werde. Mit Blick auf die anderen zehn Parteien und Wahlblöcke, die kandidierten, sagte er: "Normalerweise kämpfen die Parteien um die Macht, diesmal kämpfen sie darum, in die Opposition zu kommen." Erstmals habe es eine Fernsehdebatte zwischen den Kandidaten gegeben.

Die Opposition warf dem Regierungschef dagegen einen schmutzigen Wahlkampf vor. Armen Aschotjan von den Republikanern sagte der dpa, seine Partei sei schikaniert worden. "Paschinjan ist ein Populist." Diese Wahl sei bereits im Vorfeld nicht fair gewesen. "Schon vorher stand fest, dass Paschinjans Partei gewinnen wird, weil sie die Wahl in einer post-revolutionären Euphorie abgehalten hat." Aschotjan sprach von einer Hetzkampagne, mit der ein Einzug der Republikaner in Parlament verhindert werden sollte. "Regierungen sollten aber kontrolliert werden können."

Neu für Armenien war auch, dass der Wahlkampf auch im Internet stattfand. Mehr als eine halbe Million Menschen folgen Paschinjan auf Facebook. Kurz vor der Wahl trat er live vor die Kamera, nicht im Fernsehen, sondern in den sozialen Netzwerken. In wenigen Minuten wuchs die Zahl der Nutzer rasant an.

Das kleine und arme Armenien mit knapp drei Millionen Einwohnern liegt im Südkaukasus und ist in politisch schwieriger Lage. Es ist mit den Nachbarn Aserbaidschan und Türkei verfeindet und deshalb auf ein Bündnis mit Russland angewiesen. Paschinjan will an der Zusammenarbeit sowohl mit Russland als auch mit der EU festhalten.

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