Neuer Anlauf für Syrien Assad und die Opposition sollen Verfassungsentwurf erarbeiten

New York · Die Vereinten Nationen haben ein ehrgeiziges Projekt gestartet: Assad und die Opposition sollen einen Verfassungsentwurf erarbeiten.

 Ahmad Kuzbari und Geir Otto Pedersen reichen sich neben Hadi al-Bahra beim ersten Treffen des syrischen Verfassungsausschusses im europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen die Hände.

Ahmad Kuzbari und Geir Otto Pedersen reichen sich neben Hadi al-Bahra beim ersten Treffen des syrischen Verfassungsausschusses im europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen die Hände.

Foto: dpa/Martial Trezzini

Schauplatz war der Saal der Abrüstungskonferenz – in dieser ehrwürdigen Halle im Haus der Vereinten Nationen kamen die Rivalen aus Syrien zusammen: Die Delegation des Assad-Regimes und die Abordnung der Opposition. Zusammen mit Vertretern aus der Zivilgesellschaft starteten sie am Mittwoch in Genf einen Verhandlungsprozess. An dessen Ende soll das Bürgerkriegsland eine neue oder eine überarbeitete Verfassung erhalten. Syriens Verfassungskomitee startete – während der 2011 ausgebrochene Syrien-Konflikt mit Hunderttausenden Toten immer weiter tobt.

Die Regie für das ehrgeizige Unternehmen Verfassung liegt in den Händen des UN-Sondergesandten Geir Pedersen. Der norwegische Spitzendiplomat verlangte von den Delegationen aus dem geschundenen Land „Geduld“, vor ihnen liege ein langer Weg. Und der Sondergesandte für Syrien appellierte direkt an die beiden Co-Vorsitzenden des Verfassungskomitees, den gegenseitigen Hass zu überwinden: „Gentle­men, sie werden zusammenarbeiten müssen.“ Für die Regierung des Diktators Baschar al-Assad übernahm Ahmad Kuzbari einen Co-Vorsitz. Den anderen Co-Vorsitz erhielt der Oppositionelle Hadi Albahra. Beide schüttelten sich zwar nicht die Hand, saßen aber am selben Tisch und äußerten sich verhalten zuversichtlich. Und sie verzichteten auf gegenseitige Beschimpfungen.

Das waren Fortschritte gegenüber früheren UN-Gesprächen über Syrien. Bei vergangenen Runden verunglimpften sich die Assad-Emissäre und die Repräsentanten der Opposition stets gegenseitig. In der Regel vermieden sie es sogar, sich zu treffen. UN-Vermittler mussten dann Botschaften überbringen.

In dem nun gestarteten Verfassungskomitee sitzen 150 syrische Männer und Frauen. Jeweils 50 von ihnen nominierten das Assad-Regime, Oppositionsverbände und ebenso die Zivilgesellschaft  - etwa Frauenvereinigungen, religiöse Gruppen und ethnische Minderheiten. Das eigentliche Gerangel über ein Grundgesetz wird in einem 45 Mitglieder umfassenden Gremium ausgetragen. In diese kleine Kammer entsenden die drei Delegationen jeweils 15 Unterhänlder. Für beide Kammern gilt: Entscheidungen brauchen eine Zustimmungsrate von mindestens 75 Prozent – damit verfügen alle drei Gruppierungen über ein Veto. Der UN-Sondergesandte formulierte es so: “Kein einziger Block kann die Ergebnisse diktieren.” Falls der Konvent tatsächlich einen Verfassungsentwurf zustande bringt, soll das syrische Volk über den Text abstimmen. So lautet der Plan. Das ganze Unternehmen Verfassung basiert auf einer Resolution des UN-Sicherheitsrates von 2015, die einen politischen Neustart für Syrien vorsieht.

Ein Erfolg hängt auch von den internationalen Akteuern des Syrienskrieges ab. Zumal von Russland. Dank der rücksichtslosen Militärhilfe Moskaus konnte Assad das Schlachtenglück wenden und die Oberhand über den größten Teil des Landes zurückgewinnen. Russischer Druck könnte laut Diplomaten Assad am Verhandlungstsich jetzt zum Nachgeben zwingen. Dass Russland einen politischen Deal für Syrien anstrebt, machte Außenminister Sergej Lawrow klar. Lawrow reiste eigens nach Genf. Dort versicherte er dem Syrien-Sondergesandten Pedersen seine Unterstützung für den Verfassungsprozess.

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