Reform der Asylpolitik Seehofer fordert mehr Solidarität in Europa

Berlin · Der deutsche Innenminister Horst Seehofer will in der EU eine Reform der Asylpolitik und dabei auch Staaten Osteuropas überzeugen. Doch da muss er dicke Bretter bohren.

 Seenotrettung: Insgesamt 180 Migranten sind vom privaten Rettungsschiff „Ocean Viking“ im Mittelmeer geborgen worden.

Seenotrettung: Insgesamt 180 Migranten sind vom privaten Rettungsschiff „Ocean Viking“ im Mittelmeer geborgen worden.

Foto: dpa/Flavio Gasperini

Horst Seehofer hat das Szenario vor Augen. Jetzt, in den Sommermonaten, wo das Mittelmeer ruhiger ist, werden Tausende Flüchtlinge von der Küste Nordafrikas in klapprigen Booten wieder versuchen, Europa über das Meer zu erreichen. Und dann? Seehofer forderte am Dienstag bei der virtuellen Konferenz der EU-Innenminister mehr Solidarität in Europa. Er wisse, es sei „heute ein erneuter Versuch“, spielte der Bundesinnenminister auf die harte Haltung zahlreicher EU-Partner an, die sich weigern, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen.

Das Thema Flüchtlingsverteilung sei „eine ganz, ganz harte Nuss“. Vor allem Polen, Ungarn und Tschechien sperren sich bislang gegen die Verteilung von Flüchtlingen auch in ihre Länder. „Nicht würdig“ nennt Seehofer ein solches Verhalten. Doch die EU sei auch eine Wertegemeinschaft. Und diesen Werten müssten sich alle Mitgliedsstaaten verpflichtet fühlen, sagte Seehofer, der in der Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte erstmals auch den Vorsitz der EU-Innenministerkonferenz hat.

Die Bundesregierung will mit einigen anderen EU-Partnern mit gutem Beispiel vorangehen. Mitte April hatte Deutschland 47 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus überfüllten Flüchtlingslagern von den griechischen Inseln aufgenommen. Die Kinder waren von Niedersachsen aus auch auf andere Bundesländer verteilt worden. Sechs weitere Kinder, die schwer erkrankt waren, sind nach Auskunft des Bundesinnenministeriums inzwischen nachgekommen.

Nun sollen voraussichtlich im August weitere 243 „behandlungsbedürftige Kinder mit ihren Familien“ – insgesamt rund 1000 Menschen – nach Deutschland geholt werden. Viele der Kinder seien unter sechs Jahre alt und müssten dringend in Krankenhäusern behandelt werden. Insgesamt hatte die Bundesregierung zugesagt, bis zu 500 Kinder und Jugendliche aus Griechenland aufzunehmen. Ein erheblicher Teil der Flüchtlinge stammt aus Syrien. Nach Auskunft aus dem Bundesinnenministerium kommen die Kinder nun in ein „ergebnisoffenes Asylverfahren“. Allerdings sollen sie auch eine Zukunft in Deutschland haben, hier die Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren. „Wir schieben keine Kinder unter 18 Jahren ab“, sagte eine Sprecherin.

Nach der virtuellen Konferenz mit seinen 26 Amtskollegen und EU-Innenkommissarin Ylva Johansson spricht Seehofer von einem „sehr, sehr dicken Brett, das wir bohren müssen“. Alle EU-Staaten wollten eine „nachhaltige Lösung, weg von einer Ad-hoc-Lösung“, und dies werde es ohne eine gemeinsame europäische Asylpolitik nicht geben. Niemand in der Runde sei der Auffassung gewesen, dass das „bestehende System fortgeschrieben“ werden könne. Kommissarin Johansson betont, man werde sowohl die europäische Polizeibehörde Europol wie auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex „sowohl beim Mandat wie auch bei den Finanzen stärken“.

Laut Seehofer will nun eine „gewisse Anzahl von Staaten, man kann sagen, fast alle Mitgliedsstaaten“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen „in unterschiedlicher Form helfen“. Vor allem wolle die EU mit Staaten wie Libyen, Algerien, Tunesien oder Marokko, von deren Küsten viele Menschen nach Europa aufbrächen, intensiver zusammenarbeiten, damit sich von dort aus weniger Menschen auf die Flucht nach Europa machten. „Alle waren sich einig: Es muss jetzt endliche eine europäische Lösung her.“ Selbst die mittel- und osteuropäischen Visegrad-Staaten hätten sich so geäußert, wobei Seehofer nicht zu viel versprechen wolle. Der Bundesinnenminister ist dann wieder beim dicken Brett gemeinsamer europäischer Asyl- und Flüchtlingspolitik: „Ich will jetzt aber nicht zu optimistisch sein.“

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