Homo-Ehe in den USA Atemberaubender Wandel

WASHINGTON · "5:4 Stimmen für die Homo-Ehe in ganz Amerika!" Als die Nachricht am Freitagmorgen um 10.01 Uhr aus den Sälen des Obersten Gerichtshofes in Washington nach außen drang, flossen vor dem majestätischen Justizgebäude hinter dem Kapitol die Freudentränen.

 Unterstützer der Homo-Ehe demonstrieren vor dem Obersten Gerichtshof in den USA.

Unterstützer der Homo-Ehe demonstrieren vor dem Obersten Gerichtshof in den USA.

Foto: dpa

Hunderte Sympathisanten der Schwulen-und Lesben-Bewegung fielen sich unter Regenbogen-Fahnen in die Arme. Elf Jahre, nachdem die gleichgeschlechtliche Ehe in Amerika zum ersten Mal im Ostküsten-Bundesstaat Massachusetts erlaubt worden war, haben die höchsten Richter der Republik die Homo-Ehe landesweit zu einem verfassungsmäßigen Grundrecht erklärt. Jim Obergefell, einer der Hauptkläger, sagte: "Es ist ein unglaublicher Tag. Nun ist wahr geworden, worauf ich so lange gehofft habe. Ich hoffe, dass die Ungleichbehandlung für immer der Vergangenheit angehört."

Wie schon in früheren Entscheidungen gab im neunköpfigen Richter-Gremium Anthony Kennedy den Ausschlag für die Niederlage der vier ausgesprochen konservativen Juristen um Wortführer Antonin Scalia. Einer der ersten Gratulanten war Präsident Obama. Er sprach via Twitter unter dem hashtag #LoveWins (Die Liebe siegt) von einem "großen Schritt auf unserem Marsch hin zur Gleichbehandlung".

Das Urteil markiert den vorläufigen Schlusspunkt eines atemberaubend schnellen gesellschaftlichen Wandels, den im Ausland viele den als immer noch prüde und konservativ geltenden Vereinigten Staaten nicht zugetraut hatten. In nicht einmal 15 Jahren hat sich das Verhältnis von Zustimmung und Ablehnung bei der Homo-Ehe nahezu umgekehrt. Heute sind zwei Drittel der Amerikaner dafür, nur noch ein Drittel (meist Ältere, meist Weiße, meist Südstaatler) ist dagegen.

Zurzeit ist die Homo-Ehe in 36 Bundesstaaten und im Hauptstadtbezirk District of Columbia zugelassen. Es gibt rund 400.000 gleichgeschlechtliche Ehen. 13 Bundesstaaten (Arkansas, Georgia, Kentucky, Louisiana, Michigan, Mississippi, Missouri, Nebraska, North Dakota, South Dakota, Ohio, Tennessee und Texas) weigerten sich bisher. Sie werden nun ihre Standesämter für Schwule und Lesben öffnen müssen. Die Vorboten für das historische Urteil kamen vor zwei Jahren. Damals befand der "Supreme Court", dass homosexuelle Ehepaare Anspruch auf die gleichen staatlichen Vorteile haben, etwa bei Steuern oder Erbschaften, wie verheiratete Heterosexuelle.

Mehrere Religionsgemeinschaften, darunter die Katholische Kirche und mehrere Evangelikalen-Verbände, zeigten sich erwartungsgemäß unzufrieden mit dem Urteil. Sie erkennen darin einen Verstoß gegen die "universelle Überzeugung", dass die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau sei und somit "das Fundament von Familie und Gesellschaft". Die Homo-Ehe flächendeckend zu erlauben, könne sogar die Türen zu gesellschaftlich bisher geächteten Verbindungen wie Bigamie oder Polygamie öffnen, erklärten einige Religionsführer.

Mit dem Urteil dürfte der Glaubenskrieg um die Homo-Ehe aber nicht vollständig beendet sein. In einigen Bundesstaaten mit republikanischen Gouverneuren und republikanischen Parlamentsmehrheiten gibt es Bestrebungen, religiöse Minderheiten, denen ihr Glaube die Hetero-Ehe vorschreibt, unter besonderen Schutz zu stellen. Standesbeamte könnten so von dem Zwang befreit werden, eine Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen zu schließen.

Das Urteil zur Homo-Ehe wird auch erhebliche Auswirkungen auf den Präsidentschaftswahlkampf für 2016 haben. Während es den demokratischen Bewerbern um Hillary Clinton seit langem leicht fällt, für die Homo-Ehe zu werben, haben die mittlerweile 13 offiziellen republikanischen Konkurrenten damit große Schwierigkeiten.

Jeb Bush etwa zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht. "Ich glaube an die traditionelle Ehe. Der Oberste Gerichtshof hätte diese Entscheidung den Bundesstaaten überlassen sollen."

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