Gezielte Vertragsverletzungen Atomabkommen mit dem Iran steht vor dem Aus

Istanbul · Das internationale Atomabkommen mit dem Iran steht vor dem Aus. Der Iran könnte mit den gezielten Vertragsverletzungen zu weit gegangen sein. Die US-Regierung sieht sich in ihrer harten Haltung bestätigt.

 Der iranische Präsident Hassan Rouhani hält eine Rede anlässlich der Einweihung der Azadi Innovation Factory.

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hält eine Rede anlässlich der Einweihung der Azadi Innovation Factory.

Foto: dpa/Arman

Das internationale Atomabkommen mit dem Iran steht vor dem Aus. Ein neuer Schritt der Iraner bei der Urananreicherung könnte aus Sicht der Europäer, die den Vertrag aus dem Jahr 2015 eigentlich retten wollen, das Ende der Vereinbarung besiegeln. Die iranische Regierung will mit gezielten Vertragsverletzungen eine Lockerung der amerikanischen Sanktionen erreichen. Doch möglicherweise ist Teheran jetzt zu weit gegangen. Die US-Regierung sieht sich in ihrer harten Haltung bestätigt.

Die Taktik des Iran im Atomstreit zielt darauf ab, die Europäer zum Handeln zu bewegen: Seit dem Ausstieg der USA aus dem Atomvertrag im vergangenen Jahr bemühen sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien – die so genannten E3 – als Mitunterzeichner des Abkommens, am Handel mit Teheran festzuhalten, obwohl Amerika alle Unternehmen bestraft, die Geschäfte mit Teheran machen. Europa will erreichen, dass der Iran zumindest einen Teil jener wirtschaftlichen Vorteile bekommt, die ihm bei Vertragsabschluss versprochen worden war.

Die E3 sehen den Atomvertrag nach wie vor als besten Weg, den Bau einer iranischen Atombombe und ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten zu verhindern und dem Iran gleichzeitig eine zivile Nutzung der Atomkraft zu erlauben. Teheran lehnt die europäischen Versuche zur Rettung des Abkommens aber als ungenügend ab.

Seit einigen Monaten verstößt der Iran bewusst gegen Auflagen der Vereinbarung, um den Druck auf Europa zu erhöhen. Bisher spielten die E3 die Vertragsverletzungen als unbedeutend herunter. Doch jetzt hat der Iran aus Sicht Europas eine Linie überschritten. Die iranische Regierung erklärte in den vergangenen Tagen, die Urananreicherung in der unterirdischen Anlage Fordo werde wieder aufgenommen; unter dem Atomabkommen war die Anlage stillgelegt worden.

Urananreicherung reicht nicht für militärische Zwecke

Auch diesmal wolle der Iran nicht den Bau einer Atombombe einleiten, sondern die anderen Partner des Atomvertrages zum Handeln bringen, sagte Alex Vatanka, Iran-Experte beim Nahost-Institut in Washington, dem US-Sender ABC. Andere Fachleute weisen ebenfalls darauf hin, dass die Urananreicherung trotz der Vertragsverstöße bei weitem nicht für militärische Zwecke ausreiche.

Der iranische Präsident Hassan Ruhani gab den Europäern zwei Monate Zeit, um Wege für einen Handelsaustausch trotz der amerikanischen Sanktionen zu finden. Iran wolle Öl verkaufen können, sagte der Präsident; die US-Sanktionen haben die iranischen Ölexporte um mehr als 80 Prozent reduziert. Auch Russland, das wie China ebenfalls zu den Unterzeichnern des Atomvertrages gehört, zeigte Verständnis für Teheran.

Doch den Europäern geht das iranische Verhalten zu weit. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der sich in den vergangenen Monaten als Vermittler zwischen dem Iran und den USA engagiert hatte, warf Teheran vor, sich zum ersten Mal „ausdrücklich und grob“ von den Auflagen des Atomvertrages zu entfernen. Die EU erklärte, es werde immer schwieriger, das Abkommen zu retten. Alle bisherigen iranischen Vertragsverletzungen könnten technisch zwar wieder korrigiert werden, zitierte die Nachrichtenagentur AFP einen EU-Vertreter in Brüssel. Aber wenn Teheran das Spiel immer weiter treibe, würden die Dinge irgendwann einmal nicht mehr rückgängig zu machen sein.

Die angesehene britische Denkfabrik IISS kommt zu dem Schluss, dass Teheran trotz der Behinderung durch die US-Sanktionen im Nahen Osten weiter an Einfluss gewinnt und dabei ist, den regionalen Machtkampf gegen den US-Verbündeten Saudi-Arabien zu gewinnen. Die politischen Kräfteverhältnisse im Nahen Osten hätten sich zugunsten des Iran verändert, weil Teheran seine Bündnisse mit Gruppen wie der Hisbollah im Libanon oder den Houthis im Jemen geschickt nutze. Im Streit zwischen dem Iran und den USA sind neue Eskalationen wahrscheinlicher als eine Entspannung.

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