Europa nach dem Wahlsieg in Frankreich Auch Brüssel setzt auf Macron

Brüssel · Die EU-Spitze sieht schon Signale für das Ende der Rechtspopulisten. In Brüssel rechnet man nunmehr mit einer Stärkung derjenigen, die das Projekt EU zusammenhalten.

Europa ist erleichtert. Schon am späten Sonntagabend hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seinem Glückwunsch-Schreiben an Emmanuel Macron geschrieben, er sei „glücklich, dass die Franzosen sich für eine europäische Perspektive entschieden“ hätten.

Etwas weniger euphorisch fiel die Gratulation von EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montag aus: „Mit Ihnen als Präsident bin ich zuversichtlich, dass Frankreich weiterhin konstruktiv zur Bewältigung unserer gemeinsamen Herausforderungen und zum Erhalt der Einheit beitragen wird.“ In Brüssel hofft man auf den neuen Mann in Paris, auf seine ersten europäischen Initiativen, die man bei dem scheidenden Amtsinhaber so sehr vermisste hatte.

Frankreichs stete Überschuldung, die grassierende Arbeitslosigkeit, die aus EU-Sicht viel zu zögerlichen Reformen – all das soll Macron nun richten. Doch der wird auch mit eigenen Plänen Europa umbauen wollen. Dass er mit einer besser formierten Währungsunion liebäugelt, die einen eigenen Euro-Finanzminister und ein Budget bekommt, ist bekannt.

Es sind Vorstellungen, mit denen der künftige französische Präsident nicht zuletzt bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble offene Türen einrennt.

Pläne zu einer noch stärkeren Abstimmung der nationalen Wirtschaftspolitiken liegen schon länger in den Schubladen der führenden Euro-Staaten. Sie wurden zwar nicht zurückgehalten, aber doch nur mit halber Kraft vorangetrieben, weil es niemand wagte, den Populisten weitere Wahlkampfmunition zu liefern. Nun hat sich viel geändert.

Stärkung vom Projekt EU

„Ich bin davon überzeugt: Wir erleben in Europa den Anfang vom Ende der Kräfte am rechten Rand“, betonte Parlamentspräsident Antonio Tajani gestern und traf damit die Stimmung in Brüssel. Nach den österreichischen Präsidentschaftswahlen, bei denen der Grünen-Kandidat Alexander van der Bellen gewann, und dem Sieg der amtierenden Regierung in den Niederlanden blieben in Frankreich zum dritten Mal bei einem wichtigen Votum die Populisten ohne den von ihnen erhofften Zuwachs oder Erfolg.

Dass Deutschland mit einer nächsten Regierung unter der christdemokratischen Kanzlerin Angela Merkel oder dem SPD-Herausforderer Martin Schulz europapolitisch verlässlich bleibt, erscheint absehbar. Die EU kann offenbar durchatmen.

Doch genau das sehen viele als große Gefahr. „Wir müssen sofort damit beginnen, die Europäische Union zu verändern. Wir brauchen eine neue Strategie“, sagte Parlamentspräsident Antonio Tajani, der Macron für Juni in die Volksvertretung der 28 Mitgliedstaaten eingeladen hat. Dass der Präsident dort so etwas wie sein europapolitisches Credo ablegen wird, dürfte sicher sein. „Da kommt jetzt wieder Bewegung in die Gemeinschaft“, meinte gestern ein hochrangiges Mitglied der Brüsseler EU-Kommission.

Der Blick richtet sich dabei vor allem auf die künftige Achse Paris-Berlin. Dass Merkel und Macron sich schätzen und wohl deutlich besser harmonieren, als dies mit François Hollande der Fall war, gilt als ausgemacht. Angesichts einer EU, die zunehmend in die wirtschaftsschwachen Südstaaten und die in Grundwertefragen abtrünnigen Ost-Mitglieder zu zerfallen droht, rechnet man in Brüssel nunmehr mit einer Stärkung derjenigen, die das Projekt EU zusammenhalten.

Das könnte gerade in der Phase, in der sich die Gemeinschaft auf die Brexit-Verhandlungen einstellt, ein großer Gewinn für die verbleibende 27-er Runde sein.

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