Kritik an Trump im US-Wahlkampf Biden: „Dieser Mann ist völlig unfähig, Präsident zu werden“

Washington · Gesinnungstest für Einreisende und Clinton-Merkel-Vergleiche. Trumps jüngste Aussagen verärgern Gegner und Unterstützer. US-Vizepräsident Joe Biden findet besonders deutliche Worte.

Bleibt Menschen aus Ländern der Europäischen Union wie Frankreich, Belgien und Deutschland, die zuletzt von islamistisch motivierten Terroranschlägen heimgesucht wurden, im Falle eines Wahlsieges von Donald Trump die Einreise nach Amerika verwehrt?

Gemessen an den jüngsten Ankündigungen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten zur nationalen Sicherheit scheint das möglich. Anstatt eines pauschalen Einreiseverbots für Muslime, das Trump seit Monaten propagiert, sollen die US-Sicherheitsbehörden unter seiner Regie weltweit „Regionen“ definieren, die eine „Vergangenheit als Exporteure von Terrorismus haben“. Wer von dort aus in die USA kommen will, müsse sich einem „extremen“ Überprüfungsprozess unterziehen, sagte der 70-Jährige bei einer Wahlkampfveranstaltung in Youngstown im Bundesstaat Ohio.

Dazu plant Trump nach Vorbild der Kommunistenabwehr zu Zeiten des Kalten Krieges einen schriftlichen Gesinnungstest, dem sich gesondert Einwanderer mit islamischem Hintergrund stellen müssten. Nur wer glaubhaft nachweisen könne, dass er die Werte Amerikas uneingeschränkt unterstütze, „unser Volk respektiert“ und perspektivisch wirtschaftlich erfolgreich sei, werde ins Land gelassen.

Der New Yorker Baumilliardär, der zuletzt in Umfragen stark gegen seine demokratische Konkurrentin Hillary Clinton abgefallen war, begründete seine Haltung mit „wachsenden Bedrohungen“. Jüngste Anschläge in Amerika gingen auf „Einwanderer oder Kinder von Einwanderern“ zurück.

Nicht zum ersten Mal nutzte Trump bei seinen Vorschlägen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die deutsche Flüchtlingspolitik als Zielscheibe. Kurz nach den Übergriffen in der Silvesternacht von Köln prophezeite Trump im Januar: „Die Deutschen werden diese Frau stürzen. Ich weiß nicht, was zum Teufel in ihr vorgeht.“

In Youngstown erklärte Trump: „Hillary Clinton will die Angela Merkel Amerikas werden. Ihnen ist bekannt, welche Katastrophe diese Masseneinwanderung für Deutschland und das deutsche Volk war.“ Trump hob auf rapide gestiegene Kriminalitätsraten in Deutschland ab. Dass das Bundeskriminalamt zuletzt einen Rückgang der von Zuwanderern verübten Straftaten vermeldete, war ihm offensichtlich nicht bekannt.

Seiner Kontrahentin Hillary Clinton warf er erneut fälschlicherweise vor, sie wolle den Zuzug syrischer Flüchtlinge in ihrer ersten Amtsperiode auf über 600 000 erhöhen. Fakt ist: Clinton sprach von 55 000, bezogen auf ein Jahr.

Einwanderungs-Experten bei Denkfabriken in Washington schüttelten den Kopf über Trumps Pläne. Welche Super-Behörde soll die Gesinnungsüberprüfung leisten? Welche Kriterien für unamerikanisches Verhalten werden hier angelegt? Ist jemand, der Donald Trump für intolerant und bigott hält, automatisch ein Sicherheitsrisiko? So oder ähnlich lauteten die gestellten Fragen.

Unterdessen zog der renommierte Terrorismus-Experte der Georgetown-Universität, Bruce Hoffman, die Grundidee von Gesinnungstests als Mittel der Gefahrenabwehr in Zweifel: „Wie wollen Regierungsvertreter den Wahrheitsgehalt beurteilen? Glaubt Donald Trump, Terroristen sagen die Wahrheit?“

Stirnrunzeln löste Trump auch mit seiner Kehrtwende in Richtung Nato aus. Noch vor wenigen Wochen bezeichnete er das westliche Verteidigungsbündnis als nutzlos, viele Mitgliedsstaaten lägen den USA nur auf der Tasche.

Heute sieht er in der Nato plötzlich wieder einen zentralen Partner im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Warum? Ganz einfach: Die Nato habe sich seine Kritik zu eigen gemacht und „ihre Strategie geändert“. Ein Befund, der nicht nur im Nato-Hauptquartier in Brüssel für Erstaunen sorgte.

Trump wirkte bei seiner Rede an der Youngstown-Universität auffällig ausgebrannt. Kaum ein Republikaner von Rang reagierte positiv auf seine Vorstellungen. Dass er seiner Rivalin Clinton pauschal „die geistige und körperliche Kraft“ absprach, Amerika zu beschützen, sei ein „unnötiges Eigentor gewesen“, hieß es in konservativen Kreisen.

Anders als in der vergangenen Woche unterstellte Trump Präsident Obama und Clinton nur noch, die Entstehung des Terrornetzwerkes IS durch Untätigkeit im syrischen Bürgerkrieg und frühzeitigen Truppenabzug im Irak begünstigt zu haben. Als „Gründer“ des Islamischen Staates bezeichnet er sie auf Anraten seiner wichtigsten Berater nicht mehr.

Zu denen zählt sein von schweren Korruptionsvorwürfen verfolgter oberster Wahlkampfmanager. Paul Manafort hatte vor Jahren für den früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gearbeitet. Dafür sollen ihm rund 13 Millionen Dollar aus undurchsichtigen Quellen als Honorar zugeleitet worden sein. Ukrainische Fahnder ermitteln. Manafort spricht von einer Verschwörung. US-Medien sehen dagegen seine Tage an der Spitze der Trumpschen Wahlkampfmaschine gezählt.

Für Obamas Vizepräsidenten Joe Biden ist die Personalie unerheblich. Trumps Äußerungen seien in extremistischen Kreisen im Nahen Osten, etwa von der Hisbollah im Libanon, positiv aufgenommen worden, sagte Biden. Er warf Trump vor, die Lage für dort stationierte US-Truppen zu gefährden. „Dieser Mann ist völlig unfähig, Präsident zu werden. Er hat keinen Schimmer, wie man dieses Land führt.“

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