Belästigung und Vorteile für Bekannte Boris Johnson muss sich gegen mehrere Vorwürfe wehren

Manchester · Der Brexit ist dem Slogan nach das Hauptanliegen beim Parteitag der Konservativen Partei. Premierminister Boris Johnson muss sich außerdem gegen verschiedene Anschuldigungen verteidigen.

 Boris Johnson auf dem Parteitag in Manchester.

Boris Johnson auf dem Parteitag in Manchester.

Foto: AP/Frank Augstein

Als Boris Johnson schnellen Schrittes durch die Bar des Midland Hotels geht, wird er von einem dumpfen Dröhnen begleitet. Die überwiegend männlichen Gäste, die sich an ihrem Pint Bier festhalten, röhren ihre Zustimmung in Richtung des Premierministers. Der Regierungschef schaut kaum nach rechts und links, und dann ist er auch schon wieder weg, nächster Termin vor jauchzenden Anhängern. Empfänge, Diskussionsrunden, Reden - auf dem Parteitag der Konservativen in Manchester muss die Basis auf Linie gebracht werden.

"Get Brexit done!" - den Brexit durchziehen, es ist das Motto dieser vier Tage und die Aufforderung prangt nicht nur auf Plakaten und T-Shirts, die Regierung hämmert den Menschen gebetsmühlenhaft die Botschaft bei jeder Gelegenheit ein. Doch derzeit überschatten einige Affären die konservative Selbstbeweihräucherung im Norden Englands.

Johnson weist Anschuldigungen zurück

Im Mittelpunkt stehen Johnson und "seine Schwäche", wie es eine ehemalige Mitarbeiterin nannte: Frauen. So wirft ihm die "Sunday Times"-Kolumnistin Charlotte Edwardes vor, sie bei einem feucht-fröhlichen Abendessen in seiner Zeit als Chefredakteur des "Spectator"-Magazins vor knapp 20 Jahren begrapscht zu haben. Johnson habe sie ziemlich weit oben in den Oberschenkel gekniffen, erinnert sie sich. Später habe sie erfahren, dass es einer anderen Frau an dem Tag genauso ergangen sei. Downing Street weist den Vorwurf als "unwahr" zurück.

Doch es ist nicht die einzige Geschichte, die die Tory-Veranstaltung stört, die doch eigentlich zum Boris-Johnson-Jubelparteitag werden sollte. Bereits vergangene Woche hatte die "Sunday Times" berichtet, Johnson habe in seiner Zeit als Bürgermeister Londons einer Freundin ungerechtfertigte Vorteile verschafft. Es geht um die US-amerikanische Geschäftsfrau Jennifer Arcuri, die Johnson mehrmals auf offizielle Reisen ins Ausland mitgenommen und der er mehr als 100 000 Pfund aus öffentlichen Fördergeldern beschafft haben soll, obwohl die Internet-Unternehmerin nicht die erforderlichen Bedingungen erfüllte. Und natürlich, die beiden sollen auch ein Verhältnis gehabt haben. Arcuri und der jetzige Premier wiesen die Anschuldigungen zurück. Johnson beteuert, es habe keine Unregelmäßigkeiten gegeben.

Endlich raus aus der EU

Die Regionalregierung des Großraums London teilte dennoch mit, sie habe die zuständige Aufsichtsbehörde IOPC aufgefordert zu prüfen, ob es hinreichende Gründe für die Eröffnung eines Strafverfahrens gebe. Und was sagen Johnsons Anhänger über die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs? Die lachen die Geschichte weg, als handele es sich um einen Lausbubenstreich. Ach, der Boris eben. "Er ist ein Mann mit Charisma und bietet die Führung, die wir nun so dringend brauchen", sagt John, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Der europaskeptische Konservative ist für zwei Tage aus London nach Manchester gereist.

Er wünscht sich vor allem, dass das Königreich endlich aus der EU ausscheidet. Dass die Anschuldigungen gegen Johnson zum jetzigen Zeitpunkt aufkommen, schiebt er auf den Plan der Proeuropäer, das Projekt Brexit zu sabotieren. "Die Remainer würden alles tun", schimpft der 51-Jährige. Die Nervosität an der Basis ist spürbar im Konferenzzentrum in Manchester. "Wenn wir nicht am 31. Oktober die EU verlassen, ist es aus und vorbei mit der Tory-Partei", sagt er. Die Menschen würden es der Regierung niemals verzeihen.

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