Krise an der EU-Grenze Bundesregierung schließt Alleingang in Flüchtlingskrise aus

Berlin · Die Bundesregierung schließt bei der Aufnahme von Geflohenen einen Alleingang aus. Horst Seehofer will auf europäischer Ebene eine „Koalition der Willigen“ bilden – vor allem für die Aufnahme von Minderjährigen.

 Migranten halten in der Morgendämmerung ihre Babys in den Armen neben einem Lagerfeuer am Ufer des Flusses nahe der türkisch-griechischen Grenze.

Migranten halten in der Morgendämmerung ihre Babys in den Armen neben einem Lagerfeuer am Ufer des Flusses nahe der türkisch-griechischen Grenze.

Foto: dpa/Darko Bandic

Um ganz sicher zu gehen, twitterte das Bundesinnenministerium die Botschaft von Behördenchef Horst Seehofer (CSU) auch auf Englisch und Arabisch: „Die Grenzen Europas sind für die Flüchtlinge aus der Türkei nicht geöffnet und das gilt auch für unsere deutschen Grenzen.“ Vor allem der Tweet auf Arabisch wird tausendfach kommuniziert. Seehofer und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten es zugesichert: 2015 wird sich nicht wiederholen.

Damals waren annähernd eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, die meisten aus Syrien. Fünf Jahre später wird dort immer noch brutal und gnadenlos Krieg geführt und die Türkei will sich nicht mehr an das Flüchtlingsabkommen mit der EU halten. Sie schickt Menschen in Not zur griechischen Grenze. Dort spielten sich nach Berichten der Deutschen Presse-Agentur auch am Mittwoch wieder dramatische Szenen ab. Nach türkischen Angaben wurde ein Migrant von einem griechischen Grenzschützer getötet, was Athen als „Fake News“ dementierte.

In Syrien sind noch eine Million Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht. Die Bundesregierung will nun alles vermeiden, was Flüchtlingen Hoffnung auf Aufnahme in Deutschland machen kann – mit Ausnahme der Bereitschaft, sich an einer europäischen Lösung für minderjährige Flüchtlinge aus Lagern auf griechischen Ägäis-Inseln zu beteiligen.

Folgen von 2015 sind noch spürbar

Es müssten nicht alle 27 EU-Staaten mitmachen, ausreichend sei auch eine „Koalition der Willigen“, erklärte Seehofer. Aber einen deutschen Alleingang werde es nicht geben. Und es müsse eine effektive Kontrolle an der EU-Außengrenze in Griechenland geben. Denn sonst könnten sich noch mehr Migranten ermutigt fühlen, über Griechenland nach Europa zu kommen. Nun gelte es, Humanität und Ordnung zu zeigen und nicht nur Humanität wie 2015, heißt es in der Union. Die SPD stützte die Bemühungen um eine europäische Lösung.

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster kritisierte das Angebot seines Parteikollegen und schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther, sein Bundesland könne minderjährige Flüchtlinge aufnehmen. „Diese Botschaft bleibt doch nicht in Deutschland, sondern wird in die Welt posaunt und sendet wieder falsche Signale.“ Für ihn sei die wichtigste Erfahrung nach 2015, dass andere EU-Staaten Deutschland bezichtigt hätten, 2015 durch „Lockrufe den Flüchtlingsstrom verstärkt zu haben“. Deshalb hätten sie eine faire Lastenteilung verweigert. „Wir arbeiten immer noch die Folgen von damals ab, haben aber ein geordnetes System der Aufnahme: Der Bund entscheidet und verteilt Flüchtlinge auf die Länder und diese auf die Kommunen. Das dürfen wir nicht über den Haufen werfen und den gleichen Mechanismus wie damals auslösen.“

Alle EU-Staaten, nicht nur Deutschland, sähen das Schicksal der Kinder, betonte Schuster. „Für ständiges Vorwegmarschieren Deutschlands sehe ich keine parlamentarische und gesellschaftliche Mehrheit.“

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in NRW, Bernd Jürgen Schneider, mahnte, die Kommunen seien mehr denn je auf bessere finanzielle Ausstattung durch Bund und Land angewiesen. Sowohl bei der Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen als auch bei den Kosten für geduldete Flüchtlinge gingen die Kommunen jährlich mit 750 Millionen Euro in Vorleistung. NRW-Integrationsminister Jürgen Stamp (FDP) sagte, Familien mit kranken Kindern in griechischen Flüchtlingslagern sollten aufgenommen werden, wenn es eine EU-weite Verteilung gebe. Nordrhein-Westfalen sei vorbereitet.

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