Wahl in den USA Clinton vs. Trump: So heftig verlief das zweite TV-Duell

St. Louis · Am Ende gab es doch noch einen Handschlag. Nach anderthalb Stunden eines hitzigen Wortgefechts gaben sich Hillary Clinton und Donald Trump die Hände wie zivilisierte Menschen, eine Geste, die sie zu Beginn der zweiten TV-Debatte am Sonntagabend in St. Louis verweigert hatten.

Vielleicht war die letzte Frage der Anlass: Was denn der eine Positives über den jeweils anderen sagen könne, eine Frage aus dem Publikum. „Ich missbillige fast alles, was er tut oder sagt“, sagte Clinton über Trump. Aber: „Ich achte seine Kinder.“ Das nahm Trump als Kompliment und erwiderte: „Sie lässt nie nach, sie gibt nicht auf. Das respektiere ich.“

Ein zumindest im Tonfall halbwegs versöhnliches Ende eines unversöhnlichen Wortduells, das mit dem Thema startete, das die US-Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen in Atem hielt: Trumps elf Jahre altes Video, in dem er beleidigend, anzüglich und übergriffig über Frauen im Allgemeinen und seinen damaligen Status als TV-Star sprach. „Das waren Gespräche wie im Umkleideraum. Ich bin nicht stolz darauf. Ich entschuldige mich bei meiner Familie und beim amerikanischen Volk“, erklärte der Immobilientycoon.

Es sei aber schließlich „nur Gerede“ gewesen. Um dann aber zur Attacke überzugehen. „Bill Clinton hat Frauen missbraucht“, so Trump über den Ex-Präsidenten. Der republikanische Kandidat wies auf Frauen, angebliche Opfer, die im Publikum saßen. Er warf Clinton vor, 1975 als Anwältin den Vergewaltiger eines 12-jährigen Mädchens verteidigt zu haben: „Sie sollte sich schämen“, so Trump.

„Jeder kann seine Schlüsse ziehen zu diesem Zeitpunkt“, erwiderte Clinton nach dieser aggressiven Vorwärtsverteidigung, „das ist, wie Donald Trump eben ist.“ Trump schulde der ganzen Nation eine Entschuldigung für seine Entgleisungen und Beleidigungen. „Aber er entschuldigt sich nie“, so Clinton. Mit einem geschickten Schachzug brachte sie die populäre Präsidentengattin Michelle Obama ins Spiel, ihre wohl prominenteste Unterstützerin. Die habe ihr geraten: „Wenn die anderen abgleiten, musst Du das Niveau heben.“

Doch das Wortgefecht drohte an dieser Stelle tatsächlich abzugleiten in einen Sumpf gegenseitiger Beleidigungen, Beschimpfungen, Beschuldigungen. Trump nannte Clinton einen „Teufel“, baute sich vor seiner Kontrahentin auf und drohte ihr mit einem Sonderstaatsanwalt, sollte er Präsident werden: „Sie werden ins Gefängnis wandern.“ Immer wieder unterbrach der republikanische Bewerber Clinton, und legte sich mit den Moderatoren der Debatte an, weil er sich bei der Redezeit benachteiligt fühlte. Mit Erfolg: am Ende standen für ihn über 60 Prozent Redezeit zu Buche.

Doch dann geschah das, was viele Beobachter beinahe für unmöglich gehalten hatten. Nach einer Frage zur Gesundheitspolitik stritten beide über Sachfragen, statt sich ausschließlich persönliche Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Steigende Preise im Gesundheitswesen, die Lage in Syrien, Islamfeindlichkeit in den USA, das Steuersystem, illegale Einwanderung, das Verhältnis zu Russland, die Frage, was für ein Präsident die beiden Kandidaten für die USA sein würden: Nach Tagen, in denen es fast ausschließlich um Trumps sexprotzendes Gerede ging, endlich Antworten auf Fragen, die auch der nächste Mann oder die erste Frau im Weißen Haus beantworten muss.

Dabei schlug sich Trump besser, als angesichts der Vorgeschichte der Debatte zu erwarten gewesen wäre. Allerdings: Konkretes hatte er, anders als Clinton, nur selten zu bieten. Eine der direktesten Ansagen: Das Versprechen, die Steuern von 35 auf 15 Prozent zu senken, was Clinton mit dem Satz kommentierte: „Er lebt in einer alternativen Realität.“ Sie parierte mit dem Plan, große Vermögen stärker belasten zu wollen.

Eine gemeinsame Basis in irgendeiner Sachfrage fanden die Kontrahenten zu keiner Zeit. Stattdessen gegenseitige Vorwürfe: Immer wieder warf Trump Clinton vor, dreißig Jahre im Staatsdienst gewesen zu sein und in dieser Zeit nichts bewegt zu haben, als Senatorin für New York ein „Desaster“ gewesen zu sein. Clinton bezichtigte Trump im Gegenzug, immer nur die eigenen Interessen im Sinn zu haben: „Donald kümmert sich immer nur um Donald und um Leute, die so wie Donald sind.“

Am Ende dieser zweiten Präsidentschaftsdebatte steht die Erkenntnis, dass die Amerikaner am 8. November eine Grundsatzentscheidung zu treffen haben. Nicht nur die Kandidaten, auch ihre politischen Konzepte und ihre Anhänger stehen sich so unversöhnlich gegenüber, wie dies seit dem Ende des Vietnam-Kriegs nicht mehr der Fall war. (mit Inhalten von dpa)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Der Kaiser ist nackt
Kommentar zu Donald Trump Der Kaiser ist nackt
Zum Thema
Aus dem Ressort