36 000 Neuinfektionen an einem Tag Zahl der Corona-Fälle in den USA nimmt dramatisch zu

Washington · Das Coronavirus breitet sich in den USA wieder mit alarmierender Geschwindigkeit aus. 36 000 Neuinfektionen gab es allein am vergangenen Mittwoch. Die Lage verschlimmert sich vor allem im Süden und Westen.

 Eine Polizistin verteilt Schutzmasken zur Eindämmung des Coronavirus an Passanten auf der Straße in Manhattan.

Eine Polizistin verteilt Schutzmasken zur Eindämmung des Coronavirus an Passanten auf der Straße in Manhattan.

Foto: dpa/Niyi Fote

Es fühlt sich an wie ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten. Nachdem es eine Weile so ausgesehen hatte, als würden sich die düstersten Szenarien nicht bewahrheiten, breitet sich das Coronavirus in den USA wieder mit alarmierender Geschwindigkeit aus. Nach einer Übersicht der Johns-Hopkins-Universität verzeichnete das Land allein am Mittwoch bis Mitternacht mehr als 36 000 Neuinfektionen. Das ist der zweithöchste Tageswert seit Beginn der Pandemie, nur knapp unter dem am 24. April registrierten Maximum.

Vor allem im Süden und Westen verschlimmert sich die Lage, während der Nordosten mit der anfangs besonders hart getroffenen Weltstadt New York deutlich besser dasteht. Die dramatische Zunahme der Fälle in einigen Regionen hat Hoffnungen auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung – auf ein konjunkturelles V, dem nach steilem Absturz ein ebenso steiler Anstieg folgt – einen vorläufigen Dämpfer versetzt. Neue Höchststände wurden aus Texas (rund 6000 festgestellte Ansteckungen pro Tag), Florida (5500), Arizona (3600) und Kalifornien (7100) gemeldet.

Houston entwickelt sich zu neuem Hotspot der Corona-Krise

 Vor allem die texanische Ölmetropole Houston, in deren Ballungsraum mehr als fünf Millionen Menschen leben, scheint sich zu einem neuen Hotspot der Krise zu entwickeln. Die Krankenhäuser der Stadt arbeiten an der Kapazitätsgrenze, die Betten ihrer Intensivstationen sind inzwischen zu 97 Prozent belegt. Nach Angaben von Bürgermeister Sylvester Turner handelt es sich bei etwa einem Viertel der Patienten um Covid-19-Kranke.

„Ich habe das starke Gefühl, dass wir uns in die falsche Richtung bewegen, und wir bewegen uns schnell“, warnte Turner und appellierte an die Bürger seiner Stadt, sich so zu verhalten wie im März und April, als man Kontaktbeschränkungen einführte, die im Großen und Ganzen beachtet wurden. „Wir legen den Leuten ans Herz, das ernst zu nehmen.“

Untrügliche Zeichen, dass der Trend nach oben geht

Auch in Nevada, Oklahoma und South Carolina ist das Niveau der täglichen Neuinfektionen weit höher als in früheren Phasen der Pandemie. Nach einer Datenanalyse des „Wall Street Journal“ liegen die durchschnittlichen Fallzahlen der vergangenen sieben Tage in 33 der 50 US-Staaten über denen der Vorwoche – ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Trend nach oben geht. Von Ende April bis Mitte Juni waren die Zahlen der jeweils letzten Woche noch niedriger als die der vorangegangenen gewesen, was eine gewisse Entspannung signalisierte.

Welchen Anteil die Massenproteste nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd an der Entwicklung haben, können Experten noch nicht eindeutig beantworten. Nach bisherigen Erkenntnissen der Virologen ist die Ansteckungsgefahr im Freien viel weniger akut als in geschlossenen Räumen, sodass Demonstrationen unter freiem Himmel womöglich nur ein geringes Risiko darstellen.

Anthony Fauci, Amerikas führender Epidemiologe, hatte gleichwohl Bedenken geäußert: Die Protestwelle könnte die Corona-Zahlen nach oben schnellen lassen. Für eine Zwischenbilanz scheint es jedoch noch zu früh. Offen bleibt vorerst auch, wie sich die Wahlkampfkundgebungen Donald Trumps, am Wochenende in Oklahoma, kurz darauf in Arizona, auf das Infektionsgeschehen auswirken. In Tulsa saßen Anhänger des Präsidenten, die meisten ohne Maske, in einer Halle, in Phoenix in einer Kirche, ohne auf den gebotenen Mindestabstand zu achten.

New York, New Jersey und Connecticut verhängten unterdessen eine zweiwöchige Quarantäne für alle, die aus Gegenden mit deutlich schlechterer Corona-Lage einreisen wollen. Auf der Liste stehen neun Bundesstaaten, von Arizona bis Florida, fast alle im amerikanischen Süden. Wer gegen die Auflagen verstößt, kann mit bis zu 10 000 Dollar Bußgeld bestraft werden.

„Wir müssen verhindern, dass das Virus ein zweites Mal an Bord von Flugzeugen zu uns kommt. Das hatten wir schon, die Lektion haben wir gelernt“, begründete Andrew Cuomo, der Gouverneur New Yorks, die neue Härte. Phil Murphy, Cuomos Amtskollege in New Jersey, formulierte es noch drastischer. Man habe die Bewohner besagter drei Staaten am Atlantik „in die Hölle und wieder zurück“ geführt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Ritual der Not
Kommentar zu den weltweiten Flüchtlingszahlen Ritual der Not