Iran-Krise Das innenpolitische Kalkül von Donald Trump

Washington. · Gegner des US-Präsidenten sehen ein Ablenkungsmanöver vom laufenden Amtsenthebungsverfahren: Seiner Entscheidung ging allerdings ein längerer Findungsprozess im Weihnachtsurlaub voraus. Israel ist erleichtert über die Maßnahme.

Das Capitol in Washington: Will Donald Trump von den Vorgängen hier ablenken?

Das Capitol in Washington: Will Donald Trump von den Vorgängen hier ablenken?

Foto: AP/J. Scott Applewhite

Warum dreht Donald Trump ausgerechnet jetzt an der Eskalationsschraube? Dies, sagt Elizabeth Warren, sei die Frage, auf die man sich konzentrieren müsse. „Warum nicht vor einem Monat. Warum nicht in einem Monat? Warum jetzt?“

Die Antwort glaubt die Senatorin aus Massachusetts mit einem Blick auf den Kalender des Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten geben zu können. Demnächst beginne die zweite Etappe, de facto ein Gerichtsprozess im Senat. Man wisse ja, wie sehr sich Trump darüber ärgere, was immer er öffentlich zur Schau stelle. Deshalb liege sie auf der Hand, die Frage, ob er den Konflikt mit Teheran nur deshalb verschärfte, weil er die Causa Impeachment in den Hintergrund drängen wollte.

Dass Trump den Befehl zur Drohnenattacke gegen den iranischen General Qassem Soleimani gab, um von innenpolitischen Problemen abzulenken: Die These steht seit Tagen im Raum. Oppositionelle wie Warren, im Feld der demokratischen Bewerber fürs Oval Office eine der Aussichtsreichsten, halten sie für plausibel genug, um sie zu dem Schlüssel für das Verständnis des Kapitels zu erklären.

Krieg als Rettungsversuch

Tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident dem Militär auf halber Strecke eines Impeachment-Marathons einen Angriffsbefehl gibt. Im Dezember 1998 ließ Bill Clinton Ziele im Irak bombardieren, kurz bevor das Repräsentantenhaus über seine Absetzung abstimmen sollte. Saddam Hussein hatte die Zusammenarbeit mit Waffeninspekteuren der UNO verweigert, die Operation „Desert Fox“ sollte ihn zur Umkehr zwingen. Doch weil sie zeitlich zusammenfiel mit dem Verfahren im Zuge der Affäre um Monica Lewinsky, sprachen Kritiker von einem Täuschungsmanöver. Trent Lott, im Senat Fraktionschef der Republikaner, äußerte den Verdacht, Clinton habe den Militärschlag nur angeordnet, um den Fokus zu verschieben, weg von der Innenpolitik auf ein fernes Krisengebiet.

21 Jahre später wiederholt sich der Vorwurf, nur dass der Präsident diesmal Trump heißt – und die Kritik aus den Reihen der Demokraten kommt.

Wäre es nach der ursprünglichen Skizze gegangen, hätte sich von diesem Dienstag an in Washington alles um die entscheidende Phase der Impeachment-Prozedur gedreht. Doch erst geriet der Zeitplan durcheinander, weil Nancy Pelosi, die Demokratin an der Spitze des Abgeordnetenhauses, mit Mitch McConnell, dem republikanischen Chef des Senats, um wichtige Details stritt. McConnell sollte vorab zusagen, dass er – bisher nicht befragte – enge Vertraute Trumps in den Zeugenstand rufen würde, etwa Rudy Giuliani, den Privatanwalt des Präsidenten, und Mick Mulvaney, den Stabschef im Weißen Haus. Erst dann wollte Pelosi die von ihrer Kammer verabschiedete Klageschrift offiziell an ihn weiterreichen. Bislang ließ McConnell keinerlei Entgegenkommen erkennen. Wie und wann das Tauziehen endet, bleibt offen.

Nur ist die Impeachment-Akte, zumindest für einige Tage, tatsächlich in den Hintergrund gerückt. Pelosi erklärt es mittlerweile zu ihrer obersten Priorität, Trump mit Blick auf einen möglichen Krieg gegen Iran in die Parade zu fahren.

Noch diese Woche will sie über eine „War Powers Resolution“ abstimmen lassen, um das Mitspracherecht des Kongresses zu unterstreichen. Der Gesetzentwurf, schrieb sie in einem Brief an ihre Parteifreunde, soll garantieren, dass es auch im Kriegsfall das Parlament sein wird, das die Regierung kontrolliert. Konkret soll er die Exekutive zwingen, eventuelle Kampfhandlungen nach spätestens dreißig Tagen einzustellen, falls die Legislative kein grünes Licht dafür gegeben hat. Trump, so Pelosi, habe die Vollmachten des Kongresses missachtet, als er einen „provokativen“ und „unverhältnismäßigen“ Luftschlag gegen Soleimani anwies. Nun müsse sein Handlungsspielraum eingegrenzt werden.

Für die konservativen Anhänger des Präsidenten steht etwas anderes im Vordergrund: der Kontrast zu Barack Obama, dem sie Schwäche und ewiges Zaudern unterstellen, während der Name Trump für Stärke und Entscheidungskraft stehe. Der Kontrast zum Vorgänger im Oval Office, dessen weltpolitisches Aufbauwerk Trump mit geradezu fanatischer Besessenheit zum Einsturz bringt, vom Atomdeal mit Teheran über die Mitgliedschaft im Pariser Klimaabkommen bis hin zur Öffnung gegenüber Kuba. „Obama hat rote Linien gezogen und sie dann ignoriert“, twitterte Matt Gaetz, ein Abgeordneter aus Florida. Trump werde dergleichen nie tun. Obama habe den Iranern Kisten voller Geld geschickt, wiederholte Steve Scalise, die Nummer zwei der Republikaner im Repräsentantenhaus, einen sachlich falschen Vorwurf, der seit dem Atomabkommen des Jahres 2015 in konservativen Kreisen zirkuliert. Seit Trump Verantwortung trage, setze sich Amerika entschlossen zur Wehr.

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