Sechs Monate US-Präsident Das ist die Bilanz von Donald Trump

Washington · Nach sechs Monaten im Amt kann Donald Trump nicht viel vorweisen. GA-Korrespondent Dirk Hautkapp zieht Bilanz.

„Wir werden so viel gewinnen, dass es langweilt und ihr davon krank und müde werdet.“ Die Überheblichkeit, mit der sich Donald Trump im Wahlkampf seinen Landsleuten als Heilsbringer empfahl, ist sechs Monate nach Amtsantritt verflogen. Mit Zustimmungswerten unter 40 Prozent (Tendenz fallend) ist der 71-jährige Unternehmer der mit Abstand unbeliebteste Präsident, den Amerika jemals hatte. Noch hält seine republikanische Stammwählerschaft zu ihm. Aber die Ungeduld an der Basis wächst.

„Trump redet viel, aber er liefert nicht wirklich“, sagten konservative Wähler in Fulton County/Pennsylvania am Wochenende dieser Zeitung. Das war unmittelbar vor der größten Niederlage, die Trump bisher hinnehmen musste. Sein wichtigstes Versprechen, die Krankenversicherung seines Vorgängers („Obamacare“) abzulösen und durch ein „billigeres, besseres und unbürokratischeres“ Modell zu ersetzen, ist an der Zerstrittenheit der Republikaner im Kongress gescheitert, obwohl sie mit absoluter Mehrheit regieren. Symptomatisch für Trumps Präsidentschaft, die am Donnerstag einer rigorosen Halbjahresbilanz unterzogen wird. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Reformen

Trump hat seinen zentralen Ankündigungen bisher kaum Taten folgen lassen. Die Pleite im Gesundheitsbereich wiegt besonders schwer. Obwohl das Konzept der Republikaner in der Bevölkerung sehr unbeliebt war, weil es über 20 Millionen Amerikaner ihres Versicherungsschutzes berauben würde und massive Kürzungen zur Folge hätte, hielten die Parteispitzen an ihrem Kurs fest. Ergebnis: Dem kompletten Widerstand der Demokraten schlossen sich auch mehrere republikanische Senatoren an. Am Ende fehlten der Partei, die vom Weißen Haus bis zum Kongress „aus einem Guss“ regieren will, Stimmen aus den eigenen Reihen.

Trump selber mischte sich über Wochen mit Signalen in die Debatte ein, die weder Sachkenntnis noch echtes Interesse an der für viele Amerikaner existenziell wichtigen Baustelle verrieten. Die Ankündigung des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, man werde „Obamacare“ nun ersatzlos aufheben und binnen zwei Jahren ein neues Gesundheitssystem aufbauen, womöglich im Verein mit den Demokraten, hat massive Zweifel an der grundsätzlichen Reformfähigkeit der Regierung ausgelöst.

Analysten erwarten, dass Trump auch beim zweiten großen Wahlversprechen – Steuersenkungen – die Puste ausgeht. Erste Indizien: Die versprochene Senkung der Unternehmenssteuer von 35 auf 15 Prozent ist bereits vom Tisch. Aus Furcht vor Einnahmeausfällen für den chronisch defizitären Staatshaushalt halten Meinungsführer im Kongress höchstens eine Absenkung auf 20 bis 25 Prozent für vertretbar. Um die Zukunft des auf 1000 Milliarden Dollar taxierten Infrastrukturprogramms, mit dem Trump marode Highways, Brücken, Flughäfen und Schienen ertüchtigen will, sieht es ähnlich aus. Es gibt weder einen Zeitrahmen noch das nötige Geld.

Einwanderung und nationale Sicherheit

Auch hier zeichnen sich Niederlagen, Kehrtwenden und Rückzieher ab. Trump hat seinen Wahlkampfschlager von der Mauer an der Grenze zu Mexiko, für die das Nachbarland auch noch bezahlen werde, inzwischen aus dem Sortiment genommen. Ein durchgehender Schutzwall auf 3200 Kilometer Länge sei gar nicht notwendig, sagte Trump vor wenigen Tagen. Lediglich auf einer Teilstrecke müsse der bestehende Grenzzaun verstärkt werden. Genau das hatten Demokraten wie Republikaner mit Ortskenntnis seit Monaten bekräftigt, wurden dafür aber von Trump als Gefährder der nationalen Sicherheit abgekanzelt.

Die Wahrheit ist: Der Kongress ist nicht willens, die veranschlagten 20 Milliarden Dollar für eine Grenzmauer zu bewilligen. Wieder legen sich Republikaner gegen ihren Präsidenten quer. Dabei hat Trump bereits mit der Justiz genug zu kämpfen. Sein Einreisebann für Menschen aus bestimmten muslimisch geprägten Ländern wird nach mehreren Niederlagen in unteren Instanzen im Herbst vor dem Obersten Gerichtshof auf Verfassungsmäßigkeit untersucht. Vorläufig ist nur eine drastisch abgespeckte Version gestattet worden.

Außenpolitik

Die Aufkündigung des Klimaschutzabkommens von Paris fällt Trump im Inland zunehmend vor die Füße. Große Bundesstaaten wie Kalifornien konterkarieren den Präsidenten und verschärfen ihre eigenen Anstrengungen gegen das Fortschreiten der Erderwärmung. Auf dem G20-Gipfel in Hamburg war Trump mit seiner Haltung isoliert. Beim Staatsbesuch in Paris deutete Trump in der vergangenen Woche diffus die Möglichkeit eines Teil-Rückziehers an. Im Fall Iran ist das bereits geschehen. Anders, als im Wahlkampf beteuert, hat Trump das Atomabkommen mit Teheran nicht zerrissen. Außenminister Tillerson bescheinigte dem Mullah-Regime, dass es den geltenden Vertrag einhält, mit dem der Bau einer Atombombe verhindert werden soll. Um das Gesicht zu wahren, wurde der Iran gleichwohl erneut als größter Unsicherheitsfaktor für die Stabilität im Nahen Osten gegeißelt und mit isolierten Wirtschaftssanktionen belegt.

Affären

Durch die Verwicklung seines ältesten Sohnes Donald Trump jr. in ein Gespräch mit russischen Vertretern, die im Wahlkampf belastendes Material gegen die damalige Rivalin Hillary Clinton in Aussicht gestellt hatten, ist die Russland-Affäre noch näher an den Präsidenten herangerückt. Mehrere Ausschüsse im Kongress und ein vom Justizministerium eingesetzter Sonderermittler, Ex-FBI-Chef Robert Mueller, beschäftigen sich mit der Frage, ob Trump und seine Kampagne illegal mit den Russen zusammengearbeitet haben. In Umfragen hält eine Mehrheit der Amerikaner den Präsidenten in dieser Angelegenheit bisher für „wenig glaubwürdig“.

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