Journalist Can Dündar in Bonn „Das türkische Volk ist mutig genug für ein Nein“

Widerstand erfordert Mut, insbesondere in der Türkei. Widerstand gegen ein Referendum, dass Reccep Tayyip Erdogan umfassende Machtbefugnisse gewährt, Widerstand gegen isolationistische Bestrebungen, Widerstand gegen die Gleichschaltung von Justiz, Bildung und Medien. Doch obwohl dieser Weg von Tag zu Tag schwieriger wird, haben Menschen wie Can Dündar Hoffnung.

 Der türkische Journalist Can Dündar in Bonn.

Der türkische Journalist Can Dündar in Bonn.

Foto: Thomas Kölsch

„Das türkische Volk ist mutig genug für ein Nein“, erklärt der Journalist und ehemalige Chefredakteur der Zeitung „Cumhuriyet“ während eines Gesprächs im Rahmen der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte im Bonner Gustav-Stresemann-Institut. „Es gibt viele, die leiden und unter Druck stehen, und die dennoch gegen Erdogan aufbegehren. Bei dem Referendum hat die Türkei die Wahl zwischen Demokratie und Diktatur, und ich glaube, dass sie sich richtig entscheiden wird.“

Dündar braucht dieses Vertrauen: Anfang Mai 2016 wurde er in seiner Heimat in einem umstrittenen Prozess der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen für schuldig befunden; nach einem Attentatsversuch am Tag der Urteilsverkündung reiste er im Juli des selben Jahres nach Deutschland aus und setzt von hier aus seinen Kampf gegen die Unterdrückung seiner Landsleute fort.

„90 Prozent der türkischen Medien werden mittlerweile vom Staat kontrolliert“, sagt er. „Kritische Stimmen werden zum Schweigen gebracht. Nicht ohne Grund ist die Türkei derzeit das größte Gefängnis für Journalisten. Eine unabhängige Berichterstattung ist nahezu unmöglich. Aus diesem Grund glauben auch viele Menschen in der Türkei den Aussagen Erdogans – wenn es keine freie Presse gibt, ist es leicht, die Meinung zu seinen Gunsten zu ändern.“

Nicht nur deshalb hat Dündar – ähnlich wie andere türkische Journalisten auch – in Deutschland die zweisprachige Plattform Özgürüz („Wir sind frei“) aus der Taufe gehoben. Er will eine andere Stimme hörbar machen, will Alternativen zu der aggressiven Rhetorik Erdogans präsentieren. „Die Spannungen zwischen der Türkei und Europa sind ein Geschenk für ihn.“ Weil er seinen Anhängern so einen gemeinsamen Feind und ein gemeinsames Ziel gibt? „Ja. Dabei gibt es genug Möglichkeiten, diese Differenzen abzubauen. Doch diese Konzepte will Erdogan natürlich nicht hören.“

Neben Dündar äußern sich auch der Europaabgeordnete Michael Gahler (CDU) und der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, zu der Situation in der Türkei im Besonderen und der Beschneidung der Pressefreiheit im Allgemeinen. „355 Journalisten sitzen derzeit weltweit in Haft, vor allem in China, Ägypten und leider inzwischen auch der Türkei“, rechnet letzterer vor. „Immer öfter wird dabei eine Parteinahme von Journalisten verlangt, was sich mit dem Arbeitsethos einfach nicht vereinbaren lässt.“

Ein Punkt, den auch Gahler massiv kritisiert. „Für mich sind die Vertreter von Staatsmedien, wie es sie zum Beispiel auch in Russland gibt, keine richtigen Journalisten, sondern Propagandisten. Auf diese Unterscheidung sollte man Wert legen.“ Und lieber jenen den Rücken stärken, die sich wie Can Dündar für eine unabhängige Presse einsetzen, Mut zur Wahrheit beweisen – und die Hoffnung bewahren.

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