Interview mit den Initiatoren der Geschichtswerkstatt "Das Wissen der Zeitzeugen sichern"

Wie sah der Alltag der Menschen in Königswinter und Bad Honnef während des Ersten Weltkriegs an der "Heimatfront" aus? Die Volkshochschule (VHS) Siebengebirge und das Haus Gutenberg gehen dieser Frage in einer Geschichtswerkstatt nach.

 Erforschen den Kriegsalltag: VHS-Leiterin Hedwig Roos-Schumacher (links) und Dozentin Annemarie Große-Jütte.

Erforschen den Kriegsalltag: VHS-Leiterin Hedwig Roos-Schumacher (links) und Dozentin Annemarie Große-Jütte.

Foto: Oschmann

Mit VHS-Leiterin Hedwig Roos-Schumacher und Dozentin Annemarie Große-Jütte sprach Roswitha Oschmann.

Hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs werden wir geradezu überschwemmt mit Büchern, Filmen und anderen Veröffentlichungen zu diesem Thema. Warum widmet sich nun auch die VHS dem Ereignis?

Hedwig Roos-Schumacher: Geschichte ist immer dann interessant, wenn eigene Betroffenheit vorliegt. Und der Erste Weltkrieg ist noch in den Familiengedächtnissen präsent.

Annemarie Große-Jütte: Der Erste Weltkrieg ist ein Medienereignis, weil er als die "Jahrhundertkatastrophe" und mit seinen Folgen die Menschen auch heute noch betroffen macht und betrifft. Aber im Unterschied zu früheren Sichtweisen, die sich auf militärische und politische Großereignisse konzentrierten, wird dabei der Kriegsalltag an der Front und immer mehr auch an der "Heimatfront" in den Mittelpunkt gerückt. Auch wir gehen der Frage nach, wie die Menschen in Honnef und Königswinter den Krieg erlebt haben. Denn wenn in den Familien erzählt wird, was der Krieg für den Urgroßvater bedeutet hat, bringt das eine größere Nähe zu dem Geschehen. In Bonn, in Rheinbreitbach und in Linz gab es dazu bereits Projekte. Im Siebengebirge liegt der Schatz noch begraben.

Wo wollen Sie ihn finden?

Große-Jütte: Wir nutzen die Archive der Honnefer Volkszeitung und des Echo des Siebengebirges. Wir haben Aussicht auf zwei Tagebücher aus dieser Zeit.

Roos-Schumacher: Wir hoffen auch auf private Fundstücke. Wer sich nicht selbst an der Geschichtswerkstatt beteiligen möchte, kann diese Familienschätze auch zur Auswertung abgeben, ob Tagebücher, Briefe, Karten, Dokumente, Fotoalben aus der Zeit, Rechnungen, Rezepte oder Gegenstände.

Was versprechen Sie sich von dieser Arbeit?

Große-Jütte: Ein Krieg, der vor 100 Jahren stattgefunden hat, wird lebendig, sichtbar und nachfühlbar. Wir verstehen heutige Ereignisse besser, wenn wir wissen, was unsere Vorfahren erlebt haben und was der Krieg für die Menschen in unserer Heimat bedeutet hat, in der es bereits im ersten Monat im Leben des "normalen" Honnefers zu dramatischen Umbrüchen kommt.

Roos-Schumacher: Der Zweite Weltkrieg ist ganz anders in Erinnerung geblieben. Wir möchten die Zeitzeugenkenntnisse von 1914/18 jetzt sichern. Das Bewusstsein für die Zusammenhänge ginge sonst verloren. Das würde dem Ereignis und den Menschen von damals nicht gerecht.

Große-Jütte: Der Erste Weltkrieg war der erste moderne Krieg mit der ersten Bombardierung, mit der Aufhebung von Front und Hinterland, mit einer Materialschlacht, die die Lebensbedingungen zu Hause umgeworfen hat. Er verlangte auch der Zivilbevölkerung ein Höchstmaß an Opferbereitschaft ab und bedeutete einen tiefen Einschnitt besonders in das Leben der Frauen.

Wie kann man in der Geschichtswerkstatt mitarbeiten?

Große-Jütte: Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Mitarbeit. Zum einen die Auswertung der Zeitungen und Dokumente. Vielleicht gibt es noch Unterlagen und Aufzeichnungen. Diese zusammenzutragen, wäre ein wertvoller Beitrag. Jeder, der ein Thema hat, kann es beisteuern. Einige Beispiele: Wie hat sich der Krieg auf das Wirtschaftsleben, Schulen, Betriebe, Hotels oder Vereine ausgewirkt. Besonders interessant wäre, wie der Krieg auf die Lebensgeschichten einzelner Menschen einwirkt; was können wir zum Beispiel über das Leben der meist jungen Kriegsgefallenen erfahren.

Roos-Schumacher: Wichtig ist, es ist kein Universitätsseminar, sondern in einer Geschichtswerkstatt befassen sich interessierte Bürger mit der Vergangenheit ihrer Stadt und bestimmen Art, Thema und Anteil ihrer Arbeit selbst.

Was soll mit all den Schätzen geschehen?

Große-Jütte: Wir beabsichtigen, die Ergebnisse auf die Homepage des Gutenberghauses zu stellen und es auch dem Geschichtsportal Rheinland des Landschaftsverbandes Rheinland anzubieten.

Roos-Schumacher: Und wir möchten es als Volkshochschule im Rathaus ausstellen.

Die Geschichtswerkstatt geht über vier Semester. Die nächsten Treffen finden jeweils am Montag, 17. November und 15. Dezember, jeweils 19 bis 21.15 Uhr, im Gutenberghaus in Bad Honnef, Hauptstraße 40, statt. Weitere Infos unter Tel. 0 22 44/88 93 56.

Zu den Personen:

Hedwig Roos-Schumacher (58) leitet seit 2001 die Volkshochschule Siebengebirge. Die Historikerin lebt in Hennef. Annemarie Große-Jüte (66) ist Sozialwissenschaftlerin und Slawistin und ist seit 1981 in Bad Honnef zu Hause.

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