Flüchtlingskrise David Cameron gibt nach - ein bisschen

LONDON · Es brauchte viel Druck, um Großbritanniens Regierung zum Einlenken zu bewegen. Jetzt sollen Tausende Syrer einreisen dürfen. Trotzdem will der Premier nicht gemeinsame Sache mit dem Rest Europas machen.

Doch dann schockierte diese Woche das Bild des ertrunkenen Flüchtlingsjungen die Briten und die Situation scheint plötzlich eine andere. Cameron kündigte gestern an, Großbritannien wolle mehrere tausend syrische Flüchtlinge aufnehmen. "Jeder, der letzte Nacht diese Bilder gesehen hat, konnte gar nicht anders, als bewegt zu sein", sagte der Regierungschef nach seiner politischen Kehrtwende. "Als Vater habe ich mich tief bewegt gefühlt vom Anblick dieses kleinen Jungen an einem Strand in der Türkei."

Das klang wenige Tage zuvor noch anders, aber der Druck auf Westminster ist zuletzt zu stark geworden. Zum einen hagelte es Kritik an der harten britischen Haltung in der Asylpolitik von den anderen EU-Mitgliedsstaaten, die forderten, dass Großbritannien seinen Teil zur Lösung der Krise beitragen müsse. 2015 hat die Insel bisher lediglich 216 syrische Flüchtlinge aufgenommen, in den vergangenen vier Jahren waren es laut offiziellen Angaben etwa 5000 Menschen, die dem Bürgerkriegsland entkommen sind und Zuflucht im Königreich gefunden haben. Dabei will Cameron seine europäischen Partner nicht verärgern. Immerhin plant er, Reformen in Brüssel durchzusetzen, bevor er die Briten 2017 in einem Referendum über den Verbleib in der EU abstimmen lassen will.

Doch es war vor allem der innenpolitische Druck, dem Cameron nicht mehr standhalten konnte. Innerhalb von 48 Stunden scheint die Stimmung umgeschlagen zu sein. Sowohl die Opposition als auch der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, beklagten die britische Verweigerung. Das geistliches Oberhaupt der Kirche von England sagte, sein Herz sei gebrochen. Selbst bisherige Befürworter des harten Asylkurses wie einige Tory-Parlamentarier oder konservative Medien forderten nun in ihrer Bestürzung über die Bilder des toten Jungen eine Entschärfung.

Bedeutet die Ankündigung Camerons nun eine Wende in der britischen Asylpolitik? Nicht ganz. Großbritannien werde seiner moralischen Verantwortung nachkommen, versprach Cameron. Doch London will, anders als beispielsweise Deutschland, nicht jene Flüchtlinge aufnehmen, die derzeit in Calais ausharren, sich in Budapest in überfüllte Züge quetschen oder an den Stränden von Italien und Griechenland voller Hoffnung ankommen. Man plane, Menschen Asyl zu gewähren, die bislang in Lagern nahe der syrischen Grenze leben. "Das gibt ihnen einen direkteren und sichereren Weg ins Vereinigte Königreich, statt eine gefahrvolle Reise zu riskieren, die tragischerweise so viele das Leben gekostet hat", sagte er gestern. Mit diesem Schritt, so heißt es aus Westminster, wolle man verhindern, indirekt Schleuserbanden zu unterstützen.

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