Toter 24-Jähriger aus Nantes Debatte um Polizeigewalt in Frankreich

Nantes · Ein junger Mann fällt in Nantes während eines Polizeieinsatz ins Wasser und stirbt. Der Premierminister sieht keine Schuld bei den Einsatzkräften. Eine Debatte um Polizeigewalt gibt es trotzdem.

 Frankreichs Premierminister Édouard Philippe (r) geleitet den neuen Innenminister Christophe Castaner nach dessen Ernennung zu einer Pressekonferenz.

Frankreichs Premierminister Édouard Philippe (r) geleitet den neuen Innenminister Christophe Castaner nach dessen Ernennung zu einer Pressekonferenz.

Foto: Thibault Camus/AP

Französische Polizisten gelten bei ihren Einsätzen als nicht gerade zimperlich. Nun heizt der Tod eines jungen Mannes die Debatte über Polizeigewalt in Frankreich neu an. Über einen Monat galt der 24-jährige Steve Maia Caniço als vermisst, jetzt ist seine Leiche in der Loire entdeckt worden. Seine Familie macht die Einsatzkräfte für das Unglück mitverantwortlich. Inzwischen muss sich sogar Innenminister Christophe Castaner unbequemen Fragen stellen.

Der junge Erzieher war Ende Juni in Nantes bei dem landesweiten Elektro-Festival Fête de la Musique, doch an jenem Abend wurde die Veranstaltung von der Polizei beendet. Die Aussagen über den genauen Hergang sind widersprüchlich. Besucher des Festivals berichten, dass die Beamten Tränengas, Schlagstöcke und Gummigeschosse eingesetzt hätte, um die Feiernden zu vertreiben. Daraufhin sei Panik ausgebrochen. Die Polizei erwidert, sie sei von einigen jungen Menschen angegriffen worden.

Tatsache ist, dass in jeder Nacht bei der Aktion rund ein Dutzend Besucher in die Loire gestürzt sind. Einige konnten sich selbst retten, andere wurden von Feuerwehrleuten aus dem Fluss gezogen. Steve Maia Caniço war seit jener Nacht verschwunden. Verwandte sagen, dass er nicht schwimmen konnte. Die Anteilnahme der Bevölkerung ist enorm, Mahnwachen und Menschenketten wurden gebildet, das Wasser des Brunnens auf dem Place Royal in Nantes wurde blutrot gefärbt. Der Vorfall beschäftigt inzwischen die höchsten Stellen in Paris.

Für große Empörung sorgt nun eine Aussage von Premierminister Édouard Philippe. Er erklärte, dass die eingeleitete Untersuchung keinen Zusammenhang zwischen dem Einsatz der Polizisten und dem Verschwinden des jungen Mannes herstellen konnte. Er habe beschlossen, den Fall an die oberste Aufsichtsbehörde der Verwaltung des Landes zu verweisen, sagte Philippe.

Anwältin der Familie ist fassungslos

Marianne Rostan, die Anwältin der Familie, ist fassungslos. „Es ist nicht der Moment, irgendjemanden aus der Verantwortung zu entlassen“, erklärt sie und kündigt weitere juristische Schritte an. „Seit zwanzig Jahren wird das Festival dort ausgetragen und nie ist irgendetwas passiert.“

Immer wieder ist es in den vergangenen Monaten zu heftigen Diskussion über harte Einsätze der französischen Polizei gekommen. Videos von scheinbar wahllos auf Demonstranten einprügelnden Beamten machen die Runde. Vor allem während der Proteste der Gelbwesten gab es viele Verletzte durch die von den Sicherheitskräften verwendeten Gummigeschosse. In Deutschland werden diese Waffen wegen ihrer Gefährlichkeit nicht eingesetzt.

Im Zentrum der Kritik steht dabei immer wieder Innenminister Christophe Castaner, der auch im aktuellen Fall ins Kreuzfeuer geraten ist. Der Politiker ist seit den Protesten der Gelbwesten schwer angeschlagen, da ihm vorgeworfen wird, zu vielen Fehleinschätzungen unterlegen zu sein und deswegen falsche Anordnung gegeben zu haben. Angelastet wird ihm auch, dass die Aufarbeitung der Polizeigewalt gerade in der Zeit der Proteste der „Gilets Jaunes“ nur sehr schleppend vor sich gegangen sei.

Auch im Fall des Todes von Steve Maia Caniço wird spekuliert, dass die Polizei wenig Interesse daran habe, die Vorfälle wirklich aufzuklären. Die Aussage von Premierminister Édouard Philippe haben diese Befürchtungen weiter befeuert.

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