Bericht aus Moskau Demonstration der Geschlossenheit

MOSKAU · Die Rebellenrepubliken Donezk und Lugansk haben gewählt. Dabei ging es weniger um Kandidaten als um eine Demonstration der Geschlossenheit.

 Eine alte Frau gibt in einem Wahllokal in Lugansk ihre Stimme ab. Acht Parteien standen dort zur Wahl.

Eine alte Frau gibt in einem Wahllokal in Lugansk ihre Stimme ab. Acht Parteien standen dort zur Wahl.

Foto: dpa

Die Wahlen waren keineswegs das einzige Thema, auch nicht in den Wahllokalen. Erst vor drei Tagen hätten die Ukrainer mit Schützenpanzern den Vorort Saizewo angegriffen. "Drei Menschen sind umgekommen", sagte Waleri Otschenko, Abgeordneter des Parlaments der separatistischen Donezker Volksrepublik. "Aus lauter Vergnügen, das ist Faschismus!" Otschenko steht in sandgrauer Tarnuniform in der Mittelschule 88, einem Wahllokal in Gorlowka, 50 Kilometer nordöstlich von Donezk. Gorlowka gilt noch immer als Frontstadt, monatelang schlossen die ukrainischen Truppen sie von drei Seiten ein, auch jetzt noch fliegen ihre Geschosse auf die 330.000-Seelen-Stadt.

Gestern veranstalteten die ostukrainischen Separatistenrepubliken Parlaments- und Regierungschefswahlen. Es gibt zwar keine Wahllisten, aber die Wahlkommissionen der Rebellen rechneten mit gut 1,1 Millionen Donezker und etwa 300 000 Lugansker Wählern. Dabei hatten die Wähler in Lugansk die Auswahl zwischen vier Kandidaten für das Amt des Republikchefs und acht Parteien, die ins Parlament wollten. In Donezk waren es nur drei Kandidaten und zwei Parteien.

Aber wirklich Konkurrenz machte sich bei diesen Wahlen niemand. "Alle drei Kandidaten sind ordentliche Kerle", sagte der Donezker Rentner Michail Grizkow. "Aber ich habe für Sachartschenko gestimmt." Alexander Sachartschenko ist erst Anfang August vom Bataillonskommandeur zum Premierminister der Rebellenrepublik Donezk aufgestiegen und jetzt ihr bekanntester Politiker. Viele Wähler gestanden offen, sie hätten den Namen der beiden zur Wahl stehenden Parteien "Donezker Republik" und "Freies Donbass" noch nie gehört. "Ich stimme ab, damit die Kriegshandlungen aufhören", sagte der Donezker Fabrikschweißer Ilja Tschewtschenko.

Schon kurz nach der Öffnung der Wahllokale um acht Uhr strömten die Wähler. Vor allem Leute im Rentenalter standen Schlange, um ihre Stimme abzugeben. Fast alle von ihnen stellten sich danach draußen noch einmal an, um dort aufgestapelte Kartoffeln, Zwiebeln oder Möhren zu kaufen, die für umgerechnet sechs Cent pro Kilo feilgeboten wurden, auch für das ostukrainische Kriegsgebiet ein Spottpreis.

Zudem waren viel weniger Wahllokale geöffnet als noch bei den letzten Parlamentswahlen vor dem Bürgerkrieg 2012. In Gorlowka waren 43 von 80 Lokalen geöffnet, in Donezk 121 von 423, in dem weit hinter der Front liegenden Kreis Nowoasowsk nur sieben von 27. "Dazu hat uns vor allem die Sicherheitslage gezwungen", sagt Roman Ljagin, Vorsitzender der Zentralen Wahlkommission in Donezk, "selbst in Nowoasowsk greifen immer wieder ukrainische Agenten an."

Kritiker allerdings glauben, dahinter stünden vor allem optische Beweggründe. "Diese Veranstaltung hat nichts mit Wahlen zu tun", schimpft der ukrainische Politologe Sergei Tkatschenko. "Es geht nicht darum, zwischen Politikern und Parteien zu wählen, sondern darum, den Anschein von Massenhaftigkeit zu erwecken." Auf diese Weise wollten die sogenannten Republiken ihre Legitimation zumindest vor dem eigenen Publikum erhöhen. Dazu hätten sie auch das Mindestalter der Wähler auf 16 Jahre gesenkt.

Um der Legitimation der Wahlen willen hatten die Rebellen über 200 Beobachter aus der GUS und aus Westeuropa eingeladen. Darunter einschlägige Rechte wie den österreichischen Ex-Parlamentarier Ewald Stadler. Tatsächlich wirkte die Prozedur in den Wahllokalen diszipliniert, offene Unregelmäßigkeiten waren nicht zu sehen. Aber wie gesagt, bei diesen Wahlen ging es nicht um Konkurrenz, sie sollten eher die Geschlossenheit der Rebellenrepubliken und ihrer Einwohner gegen die Ukraine demonstrieren. Der Krieg gehe weiter, erklärten Soldaten, die zur Wahl gingen.

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