Kommunalwahl in Spanien Der Aufstieg der Empörten

MADRID · Spanien hat in den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag ein politisches Erdbeben erlebt: Die konservative Volkspartei hielt sich zwar knapp als stärkste Partei. Die Konservativen mussten aber schwere Verluste hinnehmen und werden vermutlich die Macht in vielen Rathäusern und Regionen verlieren, wo sie bisher meist mit absoluter Mehrheit regierten.

 Pablo Iglesias von Podemos freut sich über die Erfolge. Die Kommunalwahl gilt als Barometer für die Parlamentswahl im Herbst.

Pablo Iglesias von Podemos freut sich über die Erfolge. Die Kommunalwahl gilt als Barometer für die Parlamentswahl im Herbst.

Foto: EFE

Die Abstrafung der Konservativen ist offenbar die Reaktion der Bürger auf zahlreiche Korruptionsskandale in den Reihen der Volkspartei.

Die landesweit zweitstärkste Partei, die Sozialisten, hatte ebenfalls keinen Grund zum Jubeln, obwohl sich ihr Verlust in Grenzen hielt. Die wahren Sieger dieser Nacht waren derweil die neuen Protestparteien und Bürgerplattformen, die in den letzten Monaten im ganzen Land aus dem Boden schossen und in dieser Wahl respektable Ergebnisse einfuhren. Vielerorts werden die Neulinge, vor allem die linke Protestallianz Podemos (Wir schaffen es) und die liberale Bewegung Cuidadanos (Bürger), das Zünglein an der Waage sein und über die künftige Machtverteilung entscheiden.

Insgesamt wurde in mehr als 8000 Gemeinden und in 13 der 17 spanischen Regionen gewählt. Die landesweiten Ergebnisse der Kommunalwahl, die als Test für die nationale Parlaments- und Regionalwahl Ende des Jahres gilt, geben eine Ahnung von den neuen Machtverhältnissen in Spanien: Danach sackte die konservative Volkspartei des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy auf 27 Prozent, die Sozialisten kamen auf 25 Prozent.

Die um Podemos gruppierte Empörtenbewegung wurde drittstärkste Kraft. Da diese Protestplattform aber landesweit nicht unter einer einheitlichen Marke, sondern mit lokalen Listennamen antrat, veröffentlichte das Wahlamt in diesem Falle keine konkrete Prozentzahl. In der spanischen Hauptstadt Madrid könnte die Protestplattform "Ahora Madrid", die unter anderem von Podemos getragen wird, sogar bald im Rathaus regieren. Die Liste, welche von der früheren Richterin Manuela Carmena angeführt wird, wurde in der Hauptstadt mit spektakulären 32 Prozent zweitstärkste Partei und strebt nun einen politischen Pakt mit den Sozialisten an. Damit würden die Konservativen, welche seit 24 Jahren in der Drei-Millionen-Einwohnerstadt regieren, von der Macht verdrängt.

Auch in der zweitgrößten Stadt des Landes, in der Mittelmeermetropole Barcelona in Katalonien, zeichnet sich ein Machtwechsel mit Linksruck ab. In der katalanischen Hauptstadt wurde die ebenfalls von der linken Protestbewegung getragene Bürgerallianz "Barcelona En Comú - Barcelona vereint" stärkste Partei. Die populäre Spitzenkandidatin Ada Colau, eine frühere Hausbesetzerin und Spaniens bekannteste Straßenaktivistin, sagte: "Die Bürger hatten eine historische Chance, und sie wurde genutzt." Tausende Anhänger feierten den historischen Sieg jener Bewegung, die jahrelang vor allem mit Straßenprotesten gegen die Korruption Schlagzeilen machte.

Auch in anderen Städten wie Sevilla oder Valencia, in denen die Konservativen unangefochten regierten, zeichnet sich nach dem landesweiten Aufstieg der Empörten ein Machtwechsel ab. Gleiches gilt für etliche spanische Regionen wie zum Beispiel die Balearischen Inseln mit Mallorca, wo Podemos mit rund 15 Prozent der Stimmen Premiere feierte und als Teil eines Linksbündnisses vermutlich für ein Ende der konservativen Inselherrschaft sorgen wird. Übrigens mit Folgen für den Tourismus, denn die linken Inselparteien wollen die umstrittene "Urlaubssteuer" wiederbeleben.

Um die Macht in manchen Städten und Regionen zu verteidigen, könnten die schwächelnden Konservativen eine Zusammenarbeit mit der eher in der politischen Mitte angesiedelten neuen Bewegung Cuidadanos anstreben. Ob sie freilich mit den skandalbelasteten Konservativen zusammenarbeiten will, steht in den Sternen.

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