Deutscher Menschenrechtler Steudtner in der Türkei freigesprochen

Istanbul · Peter Steudtner ist freigesprochen worden. Doch vier von elf angeklagten Menschenrechtlern werden in der Türkei zu Haftstrafen verurteilt. Amnesty International urteilt: Die Folter geht weiter.

 Freispruch: Peter Steudtner auf einem aktuellen Bild.

Freispruch: Peter Steudtner auf einem aktuellen Bild.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Fast genau drei Jahre nach seiner Festnahme in der Türkei ist der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner am Freitag von einem Gericht in Istanbul freigesprochen worden. Vier weitere der insgesamt elf angeklagten Aktivisten wurden dagegen zu Haftstrafen verurteilt. Die Beschuldigten hatten an einem Menschenrechtsseminar teilgenommen, das von der türkischen Justiz als konspiratives Treffen von Staatsfeinden gewertet wurde. Der Anwalt und Ehrenvorsitzende der türkischen Sektion von Amnesty International, Taner Kilic, soll wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation für sechs Jahre und drei Monate in Haft. Steudtner, der auch Diplom-Politologe und Dokumentarfilmer ist, sagte, mit dem Urteil werde die Menschenrechtsarbeit in der Türkei „massiv kriminalisiert“. Amnesty International forderte nach dem Urteilsspruch Deutschland und andere Staaten zu „konsequentem Druck“ auf die Türkei auf.

Die Staatsanwaltschaft hatte bei Steudtner und vier anderen Angeklagten auf Freispruch plädiert und für die anderen sechs Beschuldigten bis zu 15 Jahren Gefängnis verlangt. Das Gericht folgte der Auffassung, dass Kilic als „Terrorist“ zu betrachten sei. Drei Aktivistinnen - Özlem Dalkiran, Idil Keser und Günal Kusun – erhielten Haftstrafen von jeweils zwei Jahren und einem Monat wegen Hilfe für eine Terrororganisation. Die sieben anderen Angeklagten, darunter Steudtner, wurden freigesprochen.

„Die Folter geht weiter“

„Die Folter geht weiter“, kommentierte Andrea Gardner, Türkei-Experte von Amnesty International, aus dem Gericht. „Wir werden nicht aufgeben, bis alle freigesprochen sind.“ Auch wenn die Strafen milder ausfielen als von der Anklage gefordert, macht das Urteil doch klar, dass die friedliche Arbeit von Menschenrechtlern in der Türkei als Terrorismus verfolgt werden kann. „Ein juristisch wie menschenrechtlich tragfähiges Urteil hätte nur auf Freispruch für uns alle lauten können“, sagte Steudtner laut Amnesty. „So werden wir jetzt weiter auf allen Ebenen gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen.“

Schon vor dem Urteil hatte Dalkiran verbittert festgestellt, dass die Regierung und die Justiz ihr Ziel erreicht hätten: Das Verfahren habe die gesamte Zivilgesellschaft der Türkei gelähmt, erklärte Dalkiran. Allen Menschenrechtlern im Land sei seit den Festnahmen im Jahr 2017 klar, dass sie einen Preis dafür zahlen müssten, wenn sie die Lage der Türkei thematisieren, Konferenzen veranstalten oder Verbindungen ins Ausland haben.

Steudtner und neun weitere Menschenrechtler waren am 5. Juli 2017 auf der Insel Büyükada bei Istanbul während eines Seminars festgenommen worden. Kilic befand sich zu dieser Zeit bereits in Haft; ihm wurde trotzdem vorgeworfen, das Treffen auf Büyükada geleitet zu haben. Steudtner, 1971 in Berlin geboren, wurde zu Prozessbeginn im Oktober 2017 freigelassen und durfte die Türkei verlassen.

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